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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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Vernünftigen!« Einen wirklich guten Fahrer könne die Firma ihm, Holtrop, gar nicht stellen, schon aus versicherungstechnischen Rechtsgründen nicht, das werde immer privat über das Family Office der Bank organisiert, allein auch aus steuerlichen Gründen sei das im Übrigen geboten, anders habe das ja gar keinen Sinn! Mit hochgestrecktem rechten Arm gestikulierend, redete Mack sofort höchst aufgedreht daher und wies dann auf die beiden ihn begleitenden Partner der wunderbaren Veerendonckbank hin, die er mitgebracht habe, und stellte die beiden vor. »Da passt kein Blatt Papier zwischen!« sagte Mack und meinte sich und die Bank, die die beiden verträten, von der er zwar unabhängig sei, in Abstimmung mit der er aber alle Geschäfte seit vielen Jahren erfolgreich abwickle. »Aber setzen wir uns doch!« sagte Mack und ging zum Sofa zurück, von dem er eben zuvor aufgestanden war. Holtrop schaute mit amüsiertem Blick seine Frau an. »Was willst du trinken?« fragte sie ihn und erwiderte dabeiseine Heiterkeit nicht. Holtrop zeigte auf die Rotweinflasche, setzte sich und wollte eben seinen einzigartig angenehmen Fahrer Terek zu preisen anfangen, der ganz besonders und ganz anders als der fürchterliche Ersatzfahrer Zuber sei usw, da wedelte Mack mit der Hand und unterbrach Holtrop, »aber das sind ja alles Kinkerlitzchen, kommen wir doch gleich zur Sache! Wie wollen Sie es machen? Wieviel haben Sie? Was brauchen Sie? Was haben Sie sich vorgestellt genauer?« Holtrop hatte sich eigentlich gar nichts vorgestellt, jedenfalls nichts Konkretes, er hatte vor eineinhalb Jahren 40 Millionen gehabt, die so angelegt waren, dass allein im vergangenen Jahr fast die Hälfte davon verloren gegangen war, das hatte er sich etwas anders vorgestellt, er hatte dieses Geld lieber vermehren als verlieren wollen, sonst eigentlich hatte er sich nichts vorgestellt, er hatte diesen Finanzimpresario Mack endlich einmal kennenlernen wollen, von dem sie alle so begeistert redeten, und die Art, wie der die situationsbesitzergreifende Anmaßung mit jedem Satz noch ausbaute, verwirrte Holtrop nun doch ein wenig. Mack redete mit ihm, als hätte Holtrop momentan unfreundlicherweise vergessen, dass sie seit ewigen Zeiten eng befreundet seien, Mack zeigte sich enttäuscht, wie wenig deutlich Holtrop ihre langjährige Freundschaft spüren ließ. »Nein, nein, nein!« sagte Mack, »nicht zurücklehnen!«, als Holtrop sich mit dem Rotweinglas in der Hand in seinen Sessel etwas zurücklehnen wollte, »wir wollen doch eine ordentliche, vernünftige Sache hier machen!« Ordentlich, vernünftig, aber welche Sache? Holtrop nickte. »Siehste!« sagte Mack, »wusst ich doch, dass wir uns verstehen!« Dann erklärte Mack Holtrop die Grundzüge seiner hochverfeinerten und in der Praxis ausgefeilten Menschenkenntnis: »Es gibt solche und solche!«, das stelle er immer wieder fest und bei Holtrop, den er inzwischen dauernd implizit duzte, habe er sofort gewusst,dass es passen würde, das habe er sofort gesehen, wie Holtrop hier eben zur Türe hereingekommen sei, da habe er, Mack, sofort gewusst, dass das etwas werden würde.
    Holtrop nickte, obwohl ihm unbehaglich war, aber es war ihm auch behaglich, weil er selber die Leute genauso in die Enge trieb, nur nicht ganz so grob, nicht so superdirekt, wie Mack das tat. Mack behandelte die Situation so, als säße Holtrop vor ihm als Prüfling, als müsse Holtrop sich vor ihm, Mack, bewähren, nicht umgekehrt, obwohl es in der Realität doch genau umgekehrt war. Mit jeder Minute baute sich mehr Druck auf, Macks bisherige Situationsinterpretation zu reaffirmieren, wobei Mack in jedem Moment Holtrop quasi damit drohte, von Holtrop gleich ganz extrem enttäuscht zu sein, und nach dem langen Arbeitstag und den anstrengenden zurückliegenden Wochen war Holtrop in dieser konkreten Situation zu schwach, die ihm von Mack aufgedrängte Situationsinterpretation zurückzuweisen. Das hätte er machen müssen. Das wäre auch nach zwanzig Minuten noch gegangen. Aber nach einer Stunde waren beide schon einvernehmlich und explizit beim »du« angekommen und eigentlich auch geschäftlich einig: Holtrop würde an seinen neuen Freund Mack, »von neu möchte ich aber nichts mehr hören!« rief Mack dazwischen, die Generalverwaltung seiner gesamten persönlichen Habschaften und Besitztümer übergeben, auf immer, zumindest für die nächsten fünf, zehn, fünfzehn Jahre. Die Stimmung in dem Moment war: »was sind das noch für Fragen! Ist

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