Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)
Zeit nicht sowieso komplett relativ?« Mack hatte die Papiere, die er für Holtrop vorbereitet hatte, schon dabei, er legte sie jetzt vor Zeugen zur Unterschrift auf den Couchtisch neben die Weingläser. Dabei sagte er zu Holtrop: »Wenn du das jetzt sofort unterschreibst, habe ich keine Achtung mehr vor dir!« Und Holtrop lachte hell auf und wollte schon unterschreiben, da merkte er, wie seine Frau aufstand, um nach draußen zu gehen, weil sie von diesem Männerhahnenkampf um Ehre, Achtung und Angeberei physisch abgestoßen, angewidert war. Holtrop hielt inne, drehte sich zu ihr um, sah ihr hinterher und sagte zu Mack: »Völlig richtig, kriegste morgen schriftlich, jetzt den Handschlag auf die Sache!« Dabei ging er auf Mack zu und gab ihm die Hand. Mack lachte und sagte: »Vertrag ist Vertrag!« »Eben!« sagte Holtrop, und dann stießen sie mit ihren Rotweingläsern auf den sehr erfreulichen Ausgang der kleinen Besprechung an diesem folgenreichen Abend im Hause Holtrop an. »Prost, Prost, Prost.«
XXI
»Dieses Dokument kenne ich nicht«, sagte Holtrop zu Ahlers, der neben ihm saß und ihm ein Papier hinhielt, das mit Kolonnen von Ziffern bedruckt war. Hinter einigen Ziffern war in Klammern das Zeichen für den Euro zu sehen, hinter anderen stand dick das Alarmzeichen DM . Es ging um Zahlungen. Oben stand: KS 1999/2001 , unten: BLASCHKE . Zahlungen im Bereich Konzernsicherheit für die letzten drei Jahre, von Krölpajustitiar Blaschke veranlasst. »Warum, was ist damit?« fragte Holtrop, dabei blätterte er weiter in seinen Unterlagen für die gleich beginnende Vorstandssitzung. Schräg gegenüber saß Technikvorstand Uhl, und auch er blätterte unmotiviert in seinen Papieren. Halb rechts neben Holtrop stand Riethuys und reichte Holtrop eine weitere Mappe zu. Holtrop nahm die Mappe entgegen. Dann schaute er wieder zu Ahlers hin.
Da kam Wenningrode herein und ging auf Holtrop zu, um ihn zu begrüßen. Holtrop stand auf, und gemeinsam gingen sie, nachdem Holtrop noch zu Ahlers gesagt hatte:»gleich!«, um den Tisch herum zum Fenster, wo Wortvorstand Schuster und Medienvorstand Teerhagen standen und über die Neuigkeiten in der Scharpingsaga redeten. Teerhagen wusste nur Gutes über die Scharping beratende PR -Agentur Maschinger zu sagen. Ähnliches hatte Holtrop schon von Dirlmeier gehört. Dirlmeier wollte Holtrop dazu überreden, eine professionelle PR -Agentur zu beauftragen. Holtrop müsse sein Image reparieren lassen. Allein wäre das nicht mehr zu schaffen. Weder Dirlmeier selbst noch CEO -Sprecher Flath hätten die notwendigen Kontakte zur Presse, speziell außerhalb der für Wirtschaft zuständigen Redaktionen. Auch von Schmäling, der die Abteilung Konzernkommunikation für Gesamtassperg leitete, hielt Dirlmeier wenig. Von anderen, so von Frau Rösler, von Salger, auch von Frau von Schroer, hörte Holtrop das Gegenteil. Nie seien Assperg und die Arbeit des Vorstandsvorsitzenden so gut nach außen kommuniziert worden wie seit der Einstellung von Schmäling vor einem Jahr. »Besser als Trienekens stehen wir immer noch da«, sagte Schuster. Die verschiedenen Skandale um Parteispenden bei der CDU , der FDP und der SPD hatten ein öffentliches Klima der Jagd auf überall vermutete geheime Zahlungen, auf graue und schwarze Kassen und Konten entstehen lassen, der Korruptionsermittler Schauppensteiner hatte gestern im Fernsehen wieder einen entsprechenden Auftritt zum Kölner Müllskandal gehabt. Diese Leute werden vom Staat dafür bezahlt, den normalen Geschäftsbetrieb in den Firmen, die mit ihrer Arbeit das Geld erwirtschaften, das den immer noch wachsenden gesellschaftlichen Wohlstand ermöglicht, von dem der Staat sich aber auch immer weiter und maßloser aufbläht, final unmöglich zu machen, so Schuster. »Wer riskiert dann überhaupt noch irgendetwas!«, sagte Schuster, und seine Kollegen stimmten alledem völlig zu, Schuster: »Wer will denn die Geschäfte machen? Der Staat jetzt etwa selber? Die Staatsanwaltschaften? Das ist doch alles Humbug!« Holtrop zeigte nach draußen und sagte: »Was kostet uns dieser endlose Winter, dieses fürchterliche Frühjahr?« Schmutzige Reste von Schnee, vor ein paar Tagen gefallen, lagen auf der Wiese um den Weiher herum. Es war Mitte April 2002 , in den Städten des Nordens waren die Straßen und Gehwege immer noch dick vereist, und ein Kommen des Frühlings war nach Angaben der Wettervorhersage für die nächsten Tage nicht zu erwarten. Der Krankenstand sei nicht
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