John Corey 03 - Nachtflug
Jemen.«
»Danke.« Ich schaltete mein Handy aus, zahlte dann die Rechnung und gab dem Barkeeper einen Fünfer für den Strom.
Ich ging ins Terminal, wo es laut Digitaluhr 17:01 war, und stellte meine Armbanduhr auf Erdzeit um.
Ich litt tatsächlich unter Jetlag, ich steckte seit über einem Tag in den gleichen Klamotten und hätte vermutlich sogar einen jemenitischen Kamelreiter zum Würgen gebracht.
Ich sollte nach Hause gehen, aber ich wollte nach Philadelphia fahren.
Ich ging zum Hertz-Schalter, mietete mir einen mittelgroßen Ford Taurus und war keine halbe Stunde später auf dem Shore Parkway in Richtung Verrazano Bridge unterwegs, ließ das Radio laufen und hatte mein Handy in die Buchse im Auto eingestöpselt.
Ich rief den Anrufbeantworter in meinem Apartment an und nahm ein paar Dutzend Anrufe von Leuten entgegen, die allem Anschein nach überrascht oder verwirrt waren, dass wir außer Landes weilten. Sechs Nachrichten stammten von Dom Fanelli, alle mit dem gleichen Wortlaut: »John, Kate - seid ihr schon daheim? Ich dachte, ich kontrolliere euer Apartment für euch. Okay, wollte mich bloß erkundigen.«
Und dieser Typ sagt mir, ich soll vorsichtig sein. Irgendwann hatte Detective Fanelli noch einen Gattenmord am Hals.
Ich schaltete das Handy aus und lud es weiter auf. Mein Pieper hatte im Jemen nicht funktioniert, aber ich hatte Jacks Befehl befolgt und ihn die ganze Zeit angelassen, so dass die Batterie alle war. Aber er war an.
Außerdem fiel mir ein, dass Mr. Koenig mir befohlen hatte, mich nicht mit TWA 800 zu befassen. Ich hätte ihn um eine genaue Erklärung bitten sollen, was ich das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, machen werde.
Ich fuhr über die Verrazano Bridge, quer durch Staten Island, über die Goethals Bridge und dann auf dem 1-95 in New Jersey in Richtung Süden, nach Philadelphia. In knapp zwei Stunden müsste ich da sein.
Roxanne Scarangello. Möglicherweise wusste sie gar nichts, aber wenn Griffith und Nash mit ihr gesprochen hatten, dann musste ich mit ihr sprechen.
Ich hinkte bei dieser Sache fünf Jahre und zwei Monate hinter dem Hauptfeld her, ziemlich spät, um einen Fall wiederaufzurollen, aber nicht zu spät.
33
Für einen New Yorker verhält es sich mit Philadelphia - rund zweihundert Meilen südlich von Midtown gelegen - so ähnlich wie mit der Freiheitsstatue: eine historische Stätte, ganz in der Nähe und völlig verzichtbar.
Nichtsdestotrotz war ich ein paarmal zu Polizeikonferenzen in der Stadt der brüderlichen Liebe gewesen, und ein paarmal, um mir ein Spiel der Phillies gegen die Mets anzusehen, daher kannte ich mich dort halbwegs aus. Alles in allem aber gilt, frei nach W. C. Fields: Ich wäre lieber im Jemen. Bloß ein Witz.
Gegen halb acht hielt ich vor einem vierstöckigen Apartmentgebäude an der Chestnut Street 2201, nicht weit vom Rittenhouse Square entfernt.
Ich fand einen Parkplatz am Straßenrand, stieg aus meinem Mietwagen und reckte mich. Ich rief in Roxanne Scarangellos Apartment an, und eine Frau meldete sich.
»Hallo?«
»Roxanne Scarangello bitte.«
»Am Apparat.«
»Ms. Scarangello, ich bin Detective John Corey vom FBI. Ich würde gern ein paar Minuten mit Ihnen sprechen?«
Danach herrschte eine Zeitlang Stille, dann fragte sie: »Weswegen?«
»Wegen TWA-Flug 800, Ma'am.«
»Ich habe euch doch schon vor fünf Jahren alles gesagt, was ich weiß. Man hat mir gesagt, dass ich nie wieder angerufen werde.«
»Es hat sich etwas Neues ergeben. Ich stehe vor Ihrem Haus. Darf ich raufkommen.“
»Nein. Ich ... bin nicht angezogen.«
»Warum ziehen Sie sich nicht an?«
»Ich ... ich komme sowieso schon zu spät zum Abendessen.«
»Ich fahre Sie hin.«
»Ich kann laufen.«
»Ich begleite Sie.«
Ich hörte etwas, das wie ein tiefer Seufzer klang, dann sagte sie: »Na schön. Ich bin gleich unten.«
Ich schaltete mein Handy aus und wartete vor dem Apartmenthaus, das allem Anschein nach eine ganz anständige Bleibe war, an einer von Bäumen gesäumten Straße gelegen, in Laufdistanz zur University of Pennsylvania, einer teuren, altehrwürdigen Eliteausbildungsstätte.
Mittlerweile war es fast dunkel, und die Nacht war klar. Der leichte Wind brachte einen ersten Hauch Herbstluft. Man weiß solche Sachen gar nicht richtig zu schätzen, bis sie einem fehlen, und wenn man Glück hat, lernt man sie hinterher mit ganz anderen Augen und Ohren zu schätzen.
Amerika.
Es war wie eine Art Spätzündung, und mir war danach zumute, den Boden zu
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