John Corey 03 - Nachtflug
Mittag hat man festgestellt, dass sie abgereist waren, ohne sich abzumelden. Am Morgen des 19. Juli traf das FBI hier ein und erkundigte sich nach einer fehlenden Bettdecke. Etwas später tauchten weitere FBI-Leute auf, die nach den Gästen aus Zimmer 203 fragten. Wäre es möglich, dass irgendeiner Ihrer Mitarbeiter den rosa Beleg aus dem Quittungsheft genommen und darauf vermerkt hat, dass der ausgeliehene Gegenstand fehlt?«
»Die Bibliothekarin wartet immer, ob das Zimmermädchen oder jemand anders die Leihgabe zurückbringt«, erwiderte er. »Wenn nicht, wird der rosa Durchschlag irgendwann am gleichen oder am nächsten Tag an den Buchhalter geschickt, der dem Gast die fehlende Leihgabe in Rechnung stellt oder seine Kreditkarte belastet. Manchmal wird der Gegenstand auch per Post ans Hotel zurückgesandt oder taucht später wieder auf, aber wenn er nach wie vor fehlt oder nicht bezahlt wurde, landet der rosa Durchschlag als absetzbarer Verlust in den Steuerunterlagen.«
»Und danach?«
»Die rosa Durchschläge werden wie alle anderen Steuerunterlagen sieben Jahre lang aufbewahrt.«
»Führen Sie mich hin.«
Mr. Rosenthal führte mich zu einem Schrank mit der Aufschrift »Steuerunterlagen 1996«, suchte einen braunen Umschlag heraus, der mit »Bibliotheksbelege - fehlend, verlorengegangen oder gestohlen« gekennzeichnet war, und reichte ihn mir.
Ich öffnete den Umschlag. In ihm steckte ein Packen rosa Belege, die von einem Gummiband zusammengehalten waren. Ich löste ihn und blätterte die rund zwei Dutzend Belege für fehlende Bücher und Videokassetten durch.
Mr. Rosenthal fragte: »Kann ich Ihnen behilflich -?“
»Nein.« Sie waren nicht streng chronologisch geordnet, deshalb ging ich sie langsam durch. Jeder war mit »Nicht zurückgegeben« gekennzeichnet. Etwa in der Mitte des Packens hielt ich bei einem Beleg vom 17. Juli inne. Die Zimmernummer lautete 203. Der ausgeliehene Gegenstand war eine Videokassette - Ein Mann und eine Frau.
Die Unterschrift war krakelig, und die betreffende Person hatte nicht fest genug aufgedrückt, so dass der Abdruck auf dem Durchschlag nur undeutlich zu erkennen war.
In unterschiedlicher Handschrift waren in Druckbuchstaben »Nicht zurückgegeben« und der Name Reynolds vermerkt, was nach Aussage von Marie Gubitosi der Name war, den Don Juan bei der Anmeldung angegeben hatte.
Ich fragte Mr. Rosenthal danach, worauf er erwiderte: »Offenbar hatte die Person, die die Videokassette auslieh, keinen Zimmerschlüssel dabei, deshalb hat die Bibliothekarin in ihrem Computer nachgesehen und festgestellt, dass der auf dem Beleg angegebene Name nicht mit dem Namen des Gastes in Zimmer 203 übereinstimmte. Sie erkundigte sich bei der Person, die die Videokassette ausleihen wollte, und diese Person nannte daraufhin den Namen des angemeldeten Gastes, der wiederum mit dem Namen auf dem Computer übereinstimmte.«
»Richtig.« Dann wusste die Frau also, welchen Namen Don Juan an diesem Tag benutzte, folglich hatten sie so was offenbar schon vorher gemacht, was möglicherweise hieß, dass es sich nicht um ein einmaliges Techtelmechtel handelte.
Ich schaute wieder auf die Unterschrift, aber das Licht war nicht gut, doch die Handschrift wirkte weiblich. »Gehen wir nach oben«, sagte ich.
Wir verließen den Archivraum, und wieder warf Mr. Rosenthal einen verstohlenen Blick auf die Unordnung, die ich hinterlassen hatte.
Oben in der Lobby legte ich den rosa Durchschlag unter die helle Schreibtischlampe an der Rezeption und fragte Peter: »Haben Sie ein Vergrößerungsglas?«
Er holte eine viereckige Lupe unter dem Schalter hervor, und ich musterte den schwachen Abdruck der Unterschrift. Jill Winslow. Ich schaute ihn mir ganz genau an, konzentrierte mich auf jeden einzelnen Buchstaben. Jill Winslow.
Peter versuchte einen verstohlenen Blick auf den rosa Durchschlag zu werfen, deshalb steckte ich ihn mitsamt der Lupe in meine Hosentasche. Ich winkte Mr. Rosenthal zur Bibliothek, und wir betraten den dunklen Raum.
»Da Sie sich mit so was auskennen und, wie ich vermute, seit vielen Jahren im Hotelgewerbe tätig sind - glauben Sie, dass der weibliche Gast aus Zimmer 203 den Bibliotheksbeleg für ein Video mit seinem richtigen Namen unterschrieben haben könnte?«
Er dachte einen Moment lang darüber nach und erwiderte dann: »Ich glaube, ja.«
»Warum glauben Sie das?«
»Nun ja ... das ist genauso wie an der Bar, im Restaurant oder am Verkaufsstand ... Man wird gebeten, seinen
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