John Grisham
höchst unkooperativ, bis Mack ihm erklärte, dass er Jerrol dreihundert Dollar schulde und einen Scheck für ihn habe. Da Baker vermutlich bei den meisten Nachbarn seiner Mutter in der Kreide stand, rückte der Mann mit ein paar Informationen heraus. Schließlich sah Mack weder wie ein Drogenfahnder noch wie ein Zustellungsbeamter oder ein Bewährungshelfer aus. Der Nachbar deutete auf einen Hügel hinter der Straße, und Mack folgte seiner Wegbeschreibung. Auf seinem Weg in die tiefen Kiefernwälder von Polk County musste er noch mehrmals andeuten, dass er Baker Geld bringe. Es war schon fast Mittag, als die Schotterstraße abrupt endete. Ein uralter Trailer thronte einsam auf von wilden Ranken überwucherten Betonblöcken. Mack, der eine Handfeuerwaffe vom Kaliber .38 in der Tasche hatte, näherte sich vorsichtig. Die schief in den Scharnieren hängende Tür öffnete sich langsam.
Jerrol Baker trat auf die baufällige Bretterveranda und starrte Mack wütend an, der in sechs Meter Entfernung wie angewurzelt stehen blieb. Baker trug kein Hemd, aber Arme und Brust waren mit einer farbenprächtigen Sammlung von Gefängnistätowierungen bedeckt. Sein Haar war lang und fettig, der ausgemergelte Körper offenkundig vom Meth verwüstet. Die linke Hand hatte er dank Tinzo verloren, in der rechten hielt er eine abgesägte Schrotflinte. Er nickte wortlos. Die Augen lagen gespenstisch tief in ihren Höhlen.
»Ich bin Mack Stafford, Anwalt aus Clanton. Sie sind doch Jerrol Baker?«
Mack rechnete halb damit, dass Baker auf ihn anlegen und schießen würde, aber die Flinte bewegte sich nicht. Merkwürdigerweise lächelte sein Mandant und zeigte dabei einen zahnlosen Mund, der furchteinflößender war als die Waffe.
»Stimmt«, grunzte er.
Das Gespräch dauerte zehn Minuten, und es war in Anbetracht der Umgebung und ihrer Vorgeschichte ein überraschend höflicher Austausch. Als Baker klarwurde, dass er fünfundzwanzigtausend Dollar in bar bekommen sollte, ohne dass irgendwer davon erfuhr, freute er sich wie ein kleines Kind und lud Mack sogar in den Trailer ein. Mack lehnte dankend ab.
Noch bevor sie sich in ihren Ledersesseln vor dem Schreibtisch der Eheberaterin niederließen, war Dr. Juanita bereits über alle Probleme informiert und spielte die Unvoreingenommene nur noch. Fast hätte Mack gefragt, wie oft sich die beiden Frauen ausgetauscht hat ten, aber seine Strategie gründete auf Konfliktvermeidung.
Nach ein paar Bemerkungen, die die Anspannung zwischen den Eheleuten lösen und eine warme, vertrauensbildende Atmosphäre schaffen sollten, bat Dr. Juanita sie, sich zu äußern. Wie erwartet, redete Lisa zuerst. Eine Viertelstunde lang schwafelte sie darüber, wie unglücklich, unausgefüllt und frustriert sie sich fühle, und fand deutliche Worte, um die Gefühlskälte und den mangelnden Ehrgeiz ihres Ehemannes zu beschreiben, der immer öfter zur Flasche greife.
Macks Stirn war schwarzblau verfärbt und zu einem Drittel von einem dicken weißen Verband bedeckt, so dass er tatsächlich wie ein Alkoholiker aussah. Er biss sich auf die Zunge, hörte zu und versuchte, bedrückt und deprimiert zu wirken. Als er an der Reihe war, äußerte er sich ähnlich, hielt sich aber zurück. Die Probleme waren überwiegend seine Schuld, und er war bereit, das zu akzeptieren.
Danach sprach Dr. Juanita mit jedem von ihnen einzeln. Lisa ging zuerst nach draußen in die Lobby, wo sie in Illustrierten blätterte und nach neuer Munition suchte. Mack saß der Eheberaterin allein gegenüber. Als er diese Tortur zum ersten Mal erlebt hatte, war er nervös gewesen. Mittlerweile hatte er so viele Sitzungen hinter sich, dass ihm alles egal war. Was er auch sagte, es würde ihre Ehe nicht retten; warum sollte er seine Zeit verschwenden?
»Ich habe das Gefühl, dass Sie diese Ehe beenden wollen«, stellte Dr. Juanita leise, aber zutreffend fest und sah ihn forschend an.
»Weil Lisa sie beenden will. Sie will ein besseres Leben, ein besseres Haus, einen besseren Ehemann. Ich bin einfach nicht gut genug.«
»Lachen Sie beide jemals zusammen?«
»Vielleicht wenn was Lustiges im Fernsehen kommt. Ich lache, sie lacht, die Mädchen lachen.«
»Was ist mit Sex?«
»Wir sind beide zweiundvierzig und kommen auf durchschnittlich einmal pro Monat. Das ist ziemlich traurig, weil es jedes Mal höchstens fünf Minuten dauert. Es gibt keine Leidenschaft, keine Romantik, wir bringen es eben hinter uns. Ganz technisch, nach Schema X. Ich glaube, aus
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