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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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stach in das zähe Huhn und stopfte sich damit den Mund voll.
    »Bitte was?«, fragte er mit vollem Mund, so dass das Fleisch für alle sichtbar war. »Du hast doch dafür gesorgt, dass jeder hier am Tisch deine Version der Ereignisse kennt.« Er kaute, redete und deutete mit der Gabel auf seine Frau, die am anderen Ende des Tisches neben ihrem Vater saß. »Und wahrscheinlich hast du auch alles über unsere Sitzung bei der Eheberaterin erzählt.«
    »O Gott!« Lisa war fassungslos.
    »Dass ich im Büro schlafe, ist wohl allgemein bekannt«, sagte er. »Nach Hause kann ich nicht, sonst rutsche ich am Ende noch einmal aus. Außerdem könnte ich mich besaufen und meine Kinder verprügeln, wer weiß. Stimmt's, Lisa?«
    »Das reicht, Mack«, sagte ihr Vater, die Stimme der Autorität.
    »Ja, Sir. Entschuldigung. Das Huhn ist praktisch roh. Wer hat denn das verbrochen?«
    Seine Schwiegermutter fuhr auf und wirkte steifer denn je. Sie zog die Brauen hoch. »Das war ich, Mack. Hast du sonst noch etwas am Essen auszusetzen?«
    »Jede Menge, aber scheiß drauf.«
    »Solche Ausdrücke will ich hier nicht hören«, mahnte sein Schwiegervater.
    »Da seht ihr es selbst.« Lisa beugte sich vor. »Er dreht durch.« Die meisten nickten ernst. Helen, ihre jüngere Tochter, fing leise an zu weinen.
    »Das sagst du gern, was?«, rief Mack von seinem Tischende. »Der Eheberaterin hast du das auch erzählt. Jedem hast du das erzählt. Mack ist auf den Kopf gefallen, und jetzt ist die Kacke am Dampfen.«
    »Mack, solche Ausdrücke dulde ich nicht«, sagte ihr Vater streng. »Bitte geh raus.«
    »Entschuldigung. Ich gehe gern.« Mack stand auf und stieß mit dem Fuß seinen Stuhl nach hinten weg. »Es wird euch freuen, zu hören, dass ich zum letzten Mal hier war. Ist das nicht toll?«
    Als er ging, herrschte betretenes Schweigen. Das Letzte, was er hörte, war Lisas Stimme. »Es tut mir fu rchtbar leid«, sagte sie.
    Am Montag ging Mack um den Stadtplatz herum zur Kanzlei von Harry Rex Vonner, einem Freund, der als härtester Scheidungsanwalt von Ford County bekannt war und in dessen großen Büroräumen es stets hektisch zuging. Harry Rex war ein lauter, stämmiger Poltergeist, der schwarze Zigarren kaute, seine Sekretärinnen anfuhr, Justizangestellte zur Schnecke machte, die Prozessliste des Gerichts kontrollierte, Richter einschüchterte und in seinen Scheidungsverfahren die gegnerische Partei in Angst und Schrecken versetzte. Sein Büro sah aus wie eine Mülldeponie: Aktenkartons in der Eingangshalle, überquellende Abfalleimer, Regale, auf denen sich alte Illustrierte stapelten, Zigarettenqualm, der in einer dichten, bläulichen Wolke unter der Decke hing, eine dicke Staubschicht auf Möbeln und Bücherregalen und die unvermeidliche, bunt zusammengewürfelte Schar unglücklich dreinblickender Mandanten, die am Eingang warteten. Die Kanzlei war der reinste Zirkus, Pünktlichkeit ein Fremdwort. Ständig brüllte irgendwer im Hintergrund. Die Telefone klingelten pausenlos. Der Kopierer war grundsätzlich durch einen Papierstau lahmgelegt. Und so weiter. Mack war schon oft geschäftlich in der Kanzlei gewesen und liebte das Chaos, das hier herrschte.
    »Es heißt, du drehst durch, Junge«, begrüßte ihn Harry Rex an der Tür zu seinem Büro. Der Raum war groß, fensterlos und lag hinten im Gebäude, weit weg von den wartenden Mandanten. Er war mit Bücherregalen, Umzugskartons, Beweisstücken, vergrößerten Fotos und Stapeln dicker Aussageprotokolle vollgestopft, und die Wände bedeckten billige Passepartout-Fotos, die vor allem einen grinsenden Harry Rex mit der Flinte in der Hand und erlegten Tieren zeigte. Mack wusste nicht mehr, wann er zum letzten Mal da gewesen war, aber es schien sich nichts verändert zu haben.
    Sie setzten sich, Harry Rex hinter einen massiven, mit Unterlagen überhäuften Schreibtisch, Mack auf einen abgewetzten Segeltuchstuhl, der hin und her wackelte.
    »Ich habe mir nur die Stirn aufgeschlagen, das ist alles«, erklärte Mack.
    »Du siehst furchtbar aus.«
    »Danke.«
    »Hat sie die Scheidung schon eingereicht?«
    »Nein, ich habe gerade nachgesehen. Sie will sich eine Anwältin aus Tupelo nehmen, hier kann sie angeblich keinem trauen. Ich will keinen Ärger, Harry Rex. Sie kann alles haben - die Mädchen, das Haus mit allem, was drin ist. Ich melde Insolvenz an, mache die Kanzlei dicht und ziehe weg.«
    Harry Rex schnitt bedächtig das Ende von der nächsten schwarzen Zigarre ab und schob sie sich in den

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