Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
Vom Netzwerk:
zumindest nach den Bedingungen der längst vergessenen Verträge, die ihnen Mack unter die Nase gehalten hatte, als sie ihn engagierten. Aber Mack fand, dass die Umstände eine flexiblere Auslegung der besagten Verträge erforderten, und dafür gab es mehrere Gründe. Erstens waren seine Mandanten zufrieden. Zweitens hätten seine Mandanten alles, was über fünfündzwanzigtausend Dollar hinausging, bestimmt ohnehin verprasst, so dass es dem Schutz des Geldes diente, wenn Mack den Löwenanteil gleich einbehielt. Drittens waren fünfündzwanzigtausend Dollar eine faire Entschädigung für ihre Verletzungen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die beiden gar nichts bekommen hätten, wäre Mack nicht auf die clevere Idee mit dem Kettensägen-Prozess gekommen.
    Viertens, fünftens und sechstens unterschieden sich von der Argumentation her nicht wesentlich, und Mack hatte schon keine Lust mehr, Gründe für sein Verhalten zu finden. Er hinterging seine Mandanten, und er wusste es.
    Er war kriminell geworden, fälschte Dokumente, unterschlug Vermögenswerte, betrog Mandanten. Hätte er sich die Zeit genommen, darüber nachzudenken, dann hätte er sich mies gefühlt. Tatsächlich war er so begeistert von der Aussicht, allem zu entkommen, dass er sich immer wieder dabei ertappte, wie er unmotiviert lachte. Angesichts dessen, was er nun auf dem Kerbholz hatte, gab es kein Zurück, und selbst das gefiel ihm.
    Er übergab Harry Rex einen Scheck über fünfzigtausend Dollar, um die Anfangskosten der Scheidung abzudecken, und unterschrieb die notwendigen Papiere, damit sein Anwalt die Angelegenheiten für ihn regeln konnte. Das restliche Geld wurde auf ein Konto bei einer mittelamerikanischen Bank überwiesen.
    Der letzte Akt in seiner wohldurchdachten und brillant umgesetzten Abschiedsinszenierung war ein Treffen mit seinen Töchtern. Nach mehreren gereizten Telefonaten hatte Lisa schließlich nachgegeben und sich bereiterklärt, Mack an einem Donnerstagabend für eine Stunde ins Haus zu lassen. Sie selbst würde weggehen, jedoch nach exakt sechzig Minuten zurückkehren.
    Irgendwann hat ein kluger Mensch in den ungeschriebenen Regeln des menschlichen Verhaltens festgelegt, dass solche Begegnungen unerlässlich sind. Mack hätte gut darauf verzichten können, aber dann wäre er nicht nur kriminell, sondern auch noch feige gewesen. Man konnte nicht alle Regeln infrage stellen. Vermutlich war es für die Mädchen wichtig, ihren Gefühlen Luft zu machen, zu weinen, nach dem Warum zu fragen. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Lisa hatte die beiden so gut vorbereitet, dass sie es kaum über sich brachten, ihn zu umarmen. Er versprach, sie so oft wie möglich zu besuchen, auch wenn er woanders lebte. Das nahmen sie mit einer Skepsis auf, die er nicht für möglich gehalten hätte. Nach einer halben Stunde, die sich endlos hinzog, drückte Mack ihre steifen Körper noch einmal an sich und lief zum Auto. Als er davonfuhr, war er davon überzeugt, dass die drei Frauen ein glückliches neues Leben ohne ihn planten.
    Hätte er sich gestattet, über seine Fehler und Irrtümer nachzudenken, wäre er wahrscheinlich melancholisch geworden. Er verdrängte den Gedanken daran, wie glücklich sie gewesen waren, als die Mädchen klein waren. Oder war er nie glücklich gewesen? Er wusste es nicht.
    Er fu hr zur Kanzlei, betrat sein Büro - wie immer in jüngster Zeit - durch die Hintertür und ging ein letztes Mal durch die Räume. Alle noch offenen Akten hatte Harry Rex bekommen. Die alten Unterlagen hatte Mack verbrannt. Gesetzbücher, Büroausstattung, Möbel und die billigen Bilder an den Wänden waren verkauft oder verschenkt worden. Er griff nach einem mittelgroßen Koffer, dessen Inhalt sorgfältig ausgewählt war. Keine Anzüge, Krawatten, Oberhemden, Sakkos und Businessschuhe - diese Sachen hatte er alle gespendet. Mack reiste mit leichtem Gepäck.
    Er nahm den Bus nach Memphis, flog von dort nach Miami, dann weiter nach Nassau, wo er eine Nacht lang blieb, bevor er einen Flug nach Belize City im mittelamerikanischen Staat Belize nahm. Dort wartete er eine Stunde lang in der Tropenhitze am Flughafen, trank an der winzigen Bar ein Bier, während er einer Gruppe lärmender Kanadier zuhörte, die sich begeistert über Grätenfischangeln unterhielten, und von der Zukunft träumte. Zwar wusste er nicht so genau, was die ihm bringen würde, aber es konnte nur besser sein als die Schneise der Verwüstung, die er

Weitere Kostenlose Bücher