Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
Vom Netzwerk:
brach ihm nur sehr ungern das Herz, doch irgendwann würde er darüber hinwegkommen.
    Stella nahm fast zehn Kilo ab, färbte ihre Haare dunkler, schminkte sich etwas stärker und überlegte, ob sie sich die Brüste vergrößern lassen sollte. Sidney sah ihr amüsiert dabei zu. Sein Frauchen wirkte plötzlich zehn Jahre jünger. Was hatte er doch für ein Glück!
    Mit dem Glück war es vorbei, als er eines Abends nach Hause kam und niemanden antraf. Die Möbel waren noch fast alle da, seine Frau nicht. Ihr Kleiderschrank war ausgeräumt. Sie hatte ein paar Garnituren Bettwäsche und einige Sachen aus der Küche mitgenommen, war aber nicht gierig gewesen. Die Scheidung war alles, was Stella von Sidney wollte.
    Die Papiere lagen auf dem Küchentisch - ein von beiden Parteien gestellter Antrag auf Scheidung aufgrund unüberbrückbarer Differenzen, formuliert von einem Anwalt. Man hatte ihn in einen Hinterhalt gelockt! Er weinte, als er den Antrag durchging, und noch mehr Tränen flössen, als er die zwei Seiten ihres recht knappen Abschiedsbriefes las. Etwa eine Woche lang zankten sie sich telefonisch, es ging immerzu hin und her, hin und her. Er flehte sie an, zu ihm zurückzukommen. Sie lehnte ab, sagte, dass es vorbei sei, dass er die Papiere unterschreiben und zu weinen aufhören solle.
    Sie hatten seit Jahren am Ortsrand von Karraway gelebt, einer langweiligen, trosdosen Gegend, die ausgesprochen gut zu einem Mann wie Sidney passte. Stella dagegen hatte die Nase voll davon. Sie war nach Clanton gezogen, in den Verwaltungssitz des County, eine größere Stadt mit einem Country Club und einigen Nachtclubs. Dort wohnte sie bei einer alten Freundin, im Keller, und suchte einen Job. Sidney versuchte, sie zu finden, doch sie ging ihm aus dem Weg. Ihre Tochter rief aus Texas an und stellte sich innerhalb kürzester Zeit auf die Seite ihrer Mutter.
    Das Haus, in dem es schon immer sehr ruhig gewesen war, fühlte sich jetzt an wie ein Grab, und Sidney hielt es dort nicht mehr aus. Er entwickelte ein Ritual: Wenn es dunkel war, fuhr er nach Clanton, zuerst ins Stadtzentrum, dann in die Seitenstraßen, während sein Blick in der fieberhaften Hoffnung umherschweifte, dass er seine Frau sah und sie ihn, dass ihr grausames Herz schmelzen und das Leben wieder schön sein würde. Er fand sie nicht, und so fuhr er weiter, aus der Stadt heraus, aufs Land.
    Eines Abends kam er an Häuptling Larrys Geschäft vorbei, fuhr weiter und bog dann ab, auf den vollen Parkplatz des Lucky Jack Casino. Vielleicht war sie ja dort. Vielleicht sehnte sie sich so nach Abwechslung und dem schnellen Leben, dass sie nichts dabei fand, sich an einem derart üblen Ort aufzuhalten. Es war nur ein Gedanke, nur eine Entschuldigung, die er vorschob, um sich das anzusehen, wovon alle redeten. Wer von ihnen hätte sich schon träumen lassen, dass es im spießigen Hinterland von Ford County jemals ein Casino geben würde? Sidney lief über den geschmacklosen Teppich, unterhielt sich mit Häuptling Larry, beobachtete eine Gruppe betrunkener Landeier, die ihre Lohnschecks am Würfeltisch verspielten, bemitleidete die Tattergreise, die ihre Ersparnisse an manipulierten Spielautomaten verloren, und hörte kurz einem furchtbar schlechten Schnulzensänger zu, der auf einer kleinen Bühne im hinteren Teil des Spielsaals erfolglos versuchte, so zu klingen wie Hank Williams. Vor der Band wälzten sich ein paar übergewichtige Aufreißer mit ihren Partnerinnen über die Tanzfläche. Richtige Teufelskerle waren das. Stella fand er nicht. Sie war weder in der Bar noch in der Cafeteria noch im Pokerraum. Sidney war erleichtert, doch sein Herz war immer noch gebrochen.
    Er hatte seit Jahren nicht mehr Karten gespielt, konnte sich aber noch an die Grundregeln von Blackjack erinnern, das ihm sein Vater beigebracht hatte. Nachdem er eine halbe Stunde um die Blackjacktische herumgeschlichen war, fasste er sich ein Herz und setzte sich an einen Fünf-Dollar-Tisch, wo er sich einen Zwanzig-Dollar-Schein wechseln ließ. Nach einer Stunde hatte er fünfundachtzig Dollar gewonnen. Am nächsten Tag las er sich zu Hause die Regeln für Blackjack noch einmal durch - Gewinnchancen, Verdoppeln, Splitten, Vor- und Nachteile der Versicherung. Am folgenden Abend kehrte er an denselben Tisch zurück und gewann über vierhundert Dollar. Er las noch etwas mehr über das Spiel, und am dritten Abend spielte er drei Stunden lang, trank nichts anderes als Kaffee und ging mit

Weitere Kostenlose Bücher