John Grisham
tausendsiebenhundertfünfzig Dollar nach Hause. Er fand Blackjack einfach und logisch. Jedes Blatt ließ sich ausspielen, je nachdem, was der Geber gerade in der Hand hatte, und den Gewinnchancen zufolge konnte ein Spieler sechs von zehn Spielen gewinnen. Berücksichtigte man dann noch, dass man bei einem Blackjack das Doppelte seines Einsatzes als Gewinn bekam, hatte man bei diesem Spiel die besten Chancen gegen das Casino.
Warum gab es dann so viele Verlierer? Sidney war entsetzt darüber, wie wenig die anderen Spieler wussten und wie unklug sie sich bei ihren Einsätzen verhielten. Pausenlos Alkohol in sich hineinzuschütten, war der Sache natürlich genauso wenig förderlich, und in einem Land, in dem Trinken streng geregelt war und immer noch als große Sünde galt, konnten die wenigsten den kostenlosen Drinks im Lucky Jack widerstehen.
Sidney las, spielte, trank Kaffee, der ihm von den Cocktail-Kellnerinnen an den Spieltisch gebracht wurde, und spielte wieder. Er kaufte sich Bücher und Videos und lernte, wie man Karten zählt, eine schwierige Strategie, die häufig wunderbar funktionierte, aber auch dazu führte, dass ein Spieler in den meisten Casinos vor die Tür gesetzt wurde. Und was am wichtigsten war: Er lernte die Disziplin, die man brauchte, um mit der Statistik zu spielen, er lernte aufzuhören, wenn er am Verlieren war, und die Höhe seiner Einsätze radikal zu ändern, wenn der Kartenstapel kleiner wurde.
Er fuhr nicht mehr nach Clanton, um seine Frau zu suchen. Stattdessen fuhr er schnurstracks ins Lucky Jack, wo er so gut wie jeden Abend ein oder zwei Stunden lang spielte und mit mindestens eintausend Dollar nach Hause ging. Je mehr er gewann, desto mehr fielen ihm die durchdringenden Blicke der Tischchefs auf. Er hatte den Eindruck, dass die muskelbepackten jungen Männer in billigen Anzügen - Sicherheitsleute, wie er vermutete - ihn etwas genauer beobachteten. Sidney weigerte sich beharrlich, die »Clubmitgliedschaft« zu beantragen, mit der Stammkunden, die mit hohen Einsätzen spielten, jede Menge Vergünstigungen bekamen. Er weigerte sich, in irgendeiner Form Spuren zu hinterlassen. Sein Lieblingsbuch über Glücksspiel - So sprengen Sie das Casino - war von einem ehemaligen Berufsspieler geschrieben worden, und dieser predigte unaufhörlich das Mantra der Täuschung und Tarnung. Man solle nie dieselben Kleidungsstücke, Schmuckstücke, Hüte, Mützen, Brillen tragen. Nie länger als eine Stunde am selben Tisch spielen. Nie seinen Namen nennen. Man solle einen Freund mitnehmen und ihm sagen, dass er einen Frank oder Charlie oder sonst wie nennen sollte. Gelegentlich bewusst schlecht spielen. Immer etwas anderes trinken, aber die Finger vom Alkohol lassen. Der Grund dafür war ganz einfach. Jedes Casino im Land hatte von Gesetz wegen das Recht, einen Spieler vor die Tür zu setzen. Wenn ein Mitarbeiter den Verdacht hatte, dass man Karten zählte oder falsch spielte, oder wenn man zu viel gewann und das Casino davon die Nase voll hatte, konnte es einen rausschmeißen. Dafür brauchte es nicht einmal einen Grund zu nennen. Mit unterschiedlichen Identitäten konnte man es ihnen ein bisschen schwerer machen.
Durch seine Erfolge beim Glücksspiel fand Sidney einen neuen Sinn im Leben, doch nachts wachte er immer noch auf und sehnte sich nach Stella. Das Scheidungsurteil war von einem Richter unterschrieben worden. Sie würde nicht zurückkommen, doch er verzehrte sich trotzdem nach ihr, träumte immer noch von der Frau, die er ewig lieben würde.
Stella litt nicht an Einsamkeit. Die Neuigkeit von einer attraktiven, frisch geschiedenen Frau in der Stadt machte schnell die Runde, und binnen kurzem wurde sie zu einer Party eingeladen, auf der sie den berühmt-berüchtigten Bobby Carl Leach kennenlernte. Obwohl sie etwas älter war als die Frauen, denen er sonst nachstieg, fand er sie attraktiv und sexy. Er bezirzte sie mit seinem üblichen Schwall an Komplimenten und schien wie gebannt an ihren Lippen zu hängen. Für den nächsten Tag verabredeten sie sich zum Abendessen, und nach dem Dessert ging es schnurstracks ins Bett. Obwohl er grob und vulgär war, fand sie den Sex mit ihm berauschend, weil er so ganz anders war als der stoische, unterkühlte Akt mit Sidney.
Nach kurzer Zeit hatte Stella einen gut bezahlten Job als Assistentin/Sekretärin von Mr. Leach. Sie war die letzte in einer langen Reihe von Frauen, die nicht wegen ihrer organisatorischen Fähigkeiten auf die Gehaltsliste gesetzt
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