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John Grisham

John Grisham

Titel: John Grisham Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Gesettz
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hier, zumindest nicht wegen des bescheidenen Lohns, den mir HVQH anbietet.
    Sie liest immer noch die Bewerbung. »Sie haben einen Highschool-Abschluss. Auf dem College waren Sie nicht?«
    »Hatte keine Gelegenheit dazu.«
    »Schade.« Sie schnalzt mit der Zunge und schüttelt bedauernd den Kopf. »Ich habe an einem Community College studiert«, verkündet sie dann und sichert sich mit ihrer Selbstgefälligkeit endgültig Platz zwei auf meiner Liste. Dabei wird es nicht bleiben.
    Meinen College-Abschluss hatte ich nach drei Jahren in der Tasche, aber das behalte ich grundsätzlich für mich. Von mir wird erwartet, dass ich etwas beschränkt bin, warum also die Dinge unnötig komplizieren? Für das Aufbaustudium habe ich übrigens zwei Jahre gebraucht.
    »Keine Vorstrafen«, stellt sie mit gespielter Bewunderung fest.
    »Noch nicht einmal wegen überhöhter Geschwindigkeit«, behaupte ich. Wenn die wüsste ... Ich bin zwar nie verurteilt worden, jedoch viel zu oft nur um Haaresbreite davongekommen.
    »Keine Gerichtsverfahren, keine Insolvenz«, meint sie nachdenklich. Das hat sie schwarz auf weiß vor sich.
    »Ich bin noch nie verklagt worden«, sage ich, was sprachlich völlig richtig ist. Ich war an einer ganzen Reihe von Verfahren beteiligt, allerdings nie als Partei.
    »Wie lange leben Sie schon in Clanton?«, fragt sie, um das Vorstellungsgespräch in die Länge zu ziehen, das noch keine sieben Minuten gedauert hat. Dabei wissen wir beide, dass ich den Job bekommen werde, weil die Anzeige schon seit zwei Monaten geschaltet wird.
    »Seit ein paar Wochen. Vorher war ich in Tupelo.«
    »Und was führt Sie nach Clanton?« Das ist der Charme des Südens. Die Leute haben selten Skrupel, persönliche Fragen zu stellen. Die Antwort interessiert Mrs. Wilma Drell im Grunde nicht, sie ist nur neugierig und will wissen, warum jemand wie ich in eine andere Stadt zieht, um sich einen Job für sechs Dollar die Stunde zu suchen.
    »Eine unglückliche Liebe in Tupelo«, lüge ich. »Ich brauchte einen Ortswechsel.« Das mit der unglücklichen Liebe funktioniert immer.
    »Tut mir leid«, sagt sie, was natürlich gelogen ist. Sie lässt meine Bewerbung auf den Schreibtisch fallen. »Wann können Sie anfangen, Mr. Griffin?«
    »Nennen Sie mich Gill«, erwidere ich. »Wann brauchen Sie mich?«
    »Wie wäre es mit morgen?«
    »Geht in Ordnung.«
    Normalerweise werde ich sofort benötigt, daher überrascht es mich nicht, dass ich gleich anfangen soll. In den nächsten dreißig Minuten erledige ich gemeinsam mit Trudy den Papierkram. Sie setzt bei dieser Routinearbeit eine wichtige Miene auf, um mich spüren zu lassen, dass sie im Rang weit über mir steht. Als ich losfahre, werfe ich einen flüchtigen Blick auf die trostlosen Fenster von Quiet Haven und frage mich wie immer, wie lange ich dort arbeiten werde. Mein Durchschnitt liegt bei etwa vier Monaten.
    Mein einstweiliges Zuhause ist eine Zwei-Zimmer-Wohnung in einem heruntergekommenen Mietshaus, einer früheren Billigpension, die nur einen Häuserblock vom Stadtzentrum von Clanton entfernt liegt. Laut Anzeige sollte die Unterkunft möbliert sein, allerdings bestand diese Einrichtung bei meiner ersten Inspektion aus einem ausgemusterten Militärfeldbett im Schlafzimmer, einem rosa PVC-Sofa im Wohnzimmer und einer in dessen Nähe platzierten Esszimmergarnitur mit einem runden Tisch von der Größe einer Familienpizza. Außerdem gab es einen kleinen Ofen, der nicht funktionierte, und einen uralten Kühlschrank, der es kaum noch tat. Für diese Annehmlichkeiten verpflichtete ich mich, zwanzig Dollar pro Woche an Miss Ruby, die Eigentümerin, zu zahlen.
    Auch egal. Es hätte schlimmer kommen können, wenn auch nicht viel.
    »Keine Partys«, meinte Miss Ruby lächelnd, als wir den Handel mit einem Handschlag besiegelten. Mit Partys schien sie sich auszukennen. Ihr Alter schätzte ich auf irgendwas zwischen fünfzig und achtzig. Ihr Gesicht ist weniger von den Jahren gezeichnet als von einem ausschweifenden Lebenswandel und erstaunlichem Zigarettenkonsum, aber sie gibt nicht kampflos auf und wirft dicke Schichten Make-up, Rouge, Wimperntusche, Eyeliner, Lippenstift und eine tägliche Dusche Parfüm in die Bresche, die mich in Verbindung mit dem Zigarettenqualm an den Geruch getrockneten, abgestandenen Urins erinnerte, der in Pflegeheimen weit verbreitet ist.
    Vom Bourbon ganz zu schweigen. Sekunden nach dem Handschlag bot mir Miss Ruby »eine kleine Stärkung« an. Da standen wir im

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