John Grisham
Hochbetrieb, und ich ertappe mehrere Kunden dabei, wie sie uns anstarren. Alles Leute in deutlich kleineren und neueren Autos. Ich weiß nicht, ob sie den knallroten Cadillac, der kaum Platz hat, lustig finden oder das merkwürdige Trio im Wagen. Interessiert mich auch nicht.
Ich habe so was schon früher, in anderen Heimen, getan. Eines der besten Geschenke, das ich meinen Freunden machen kann, ist Freiheit. Ich war mit alten Damen in Kirchen und Country Clubs, auf Beerdigungen und Hochzeiten und - selbstverständlich - beim Shopping. Ich habe alte Männer zu Veteranentreffen und Sportveranstaltungen, in Kneipen, Kirchen und Cafes begleitet. Sie sind dankbar wie Kinder für diese kleinen Ausflüge, diese simplen Akte der Menschenliebe, durch die sie aus ihren Zimmern herauskommen. Leider gibt es bei diesen Exkursionen in die reale Welt immer Ärger. Die anderen Angestellten, meine geschätzten Kollegen, verübeln es mir, dass ich bereit bin, zusätzlich Zeit mit den Bewohnern zu verbringen, und die anderen Bewohner werden eifersüchtig auf die Glückspilze, denen für ein paar Stunden die Flucht gelingt. Aber gegen Ärger bin ich immun.
Spurlock behauptet, keinen Hunger zu haben, bestimmt hat er sich mit Gummiadler und grünem Wackelpeter vollgeschlagen. Ich bestelle einen Hotdog und ein Root Beer, und bald rollen wir wieder durch die Straßen. Miss Ruby knabbert an einem Pommes frites, und weit hinter uns genießt Lyle Spurlock das weite Land.
»Ich möchte ein Bier«, sagt er plötzlich.
Ich fahre auf den Parkplatz eines rund um die Uhr geöffneten Lebensmittelgeschäfts. »Welche Marke?«
»Schlitz«, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Ich kaufe einen Sixpack, gebe es ihm, und weiter geht's. Eine Dose wird aufgerissen, dann höre ich ein Schlürfen. »Wollen Sie auch eins, Gill?«
»Nein danke.« Ich hasse den Geruch und den Geschmack von Bier. Miss Ruby schüttet Bourbon in ihr Dr Pepper und nippt daran. Ein Lächeln liegt auf ihrem Gesicht. Vermut li ch, weil sie nicht mehr allein trinken muss.
Im Daisy kaufe ich drei Karten zu je fünf Dollar, wobei sich meine Freunde beim Bezahlen vornehm zurückhalten, und wir rollen über den Kiesplatz und suchen uns einen Platz in der dritten Reihe, weit weg von allen anderen Autos. Der Film läuft schon. Ich montiere den Lautsprecher an meinem Fenster und stelle die Lautstärke so ein, dass Mr. Spurlock das ganze Stöhnen mitbekommt. Dann lasse ich mich in meinen Sitz sinken. Miss Ruby kaut immer noch an ihrem Cheeseburger. Spurlock rutscht über den Rücksitz in die Mitte, damit ihm auch nichts entgeht.
Der Handlungsstrang ist schnell durchschaut. Ein Vertreter versucht, Staubsauger zu verkaufen. Einen Vertreter stellt man sich ja irgendwie gepflegt und wenigstens ansatzweise freundlich vor. Dieser hier ist von Kopf bis Fuß schmierig, mit Ohrringen, Tätowierungen, einem engen, weit geöffneten Seidenhemd und einem lüsternen Grinsen, das jede anständige Hausfrau verschrecken würde. Selbstverständlich gibt es in diesem Film keine anständigen Hausfrauen. Sobald unser schleimiger Vertreter ins Haus gelangt ist, wobei er einen nutzlosen Staubsauger hinter sich herzieht, stürzt sich die Gattin auf ihn, reißt ihm die Kleider vom Leib und tollt fröhlich mit ihm herum. Der Ehegatte erwischt sie auf dem Sofa, und statt den Vertreter mit d em Staubsaugerschlauch bewusstl os zu schlagen, wirft er sich ebenfalls ins Getümmel. Bald wird die Sache zur Familienfeier, und aus allen Richtungen strömen Nackte ins Wohnzimmer. Es handelt sich um eine dieser Pornofamilien, bei denen die Kinder genauso alt sind wie die Eltern, aber wen interessiert das schon. Nun trudeln auch die Nachbarn ein, und es wird hemmungslos kopuliert, in Stellungen und nach Methoden, die sich die meisten Sterblichen noch nicht einmal vorstellen können.
Ich rutsche tiefer in meinen Sitz, bis ich gerade eben noch über das Lenkrad sehen kann. Miss Ruby mampft vor sich hin und kichert über etwas auf der Leinwand, ohne sich im Geringsten peinlich berührt zu zeigen. Spurlock macht noch ein Bier auf, das einzige Geräusch im Fond.
Irgendein Hinterwäldler in einem Pick-up zwei Reihen hinter uns hupt bei jedem Höhepunkt, der im Film gezeigt wird. Ansonsten ist das Daisy ziemlich still und verlassen.
Nach der zweiten Orgie wird mir langweilig, und ich entschuldige mich für einen Gang zur Toilette. Ich schlendere über den Kiesplatz zu einem schäbigen kleinen Gebäude, das einen Kiosk und
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