John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
kannst, könnte ich morgen um diese Zeit bereits zu Hause sein«, sagte sie, aber dann fiel ihr wieder ihr Pass ein. »Nein, das geht ja nicht. Ich habe ja keinen Pass mehr. Wie soll ich wieder zurück in die Staaten kommen?«
»Wahrscheinlich werden wir eine Militärmaschine nehmen.«
Wir? Er wollte mit ihr zurückreisen? Das war ihr neu. »Du willst auch nach Washington zurück?«
»Vorläufig schon.«
Er sagte nichts weiter dazu, und sie fragte nicht. Stattdessen lehnte sie den Kopf zurück und schloss die Augen. Wenn sie auch nicht schlafen konnte, so konnte sie zumindest ein wenig ruhen.
»Ein Bäcker hat heute früh seinen Wagen als gestohlen gemeldet … hier.« Ronsard tippte mit dem Finger auf die Landkarte. Das Dorf lag dreizehn Kilometer von seiner Villa entfernt, an einer schmalen kleinen Landstraße, die ungefähr nach Südwesten führte und sich schließlich mit der Schnellstraße kreuzte. Ein paar von seinen Wachleuten standen um den Tisch herum versammelt, während er mit einem Vertreter der örtlichen Polizeibehörden telefonierte.
Wenn Temple gen Süden unterwegs war, wäre er in die Gegend um dieses Dorf gekommen. »Was für ein Typ ist es? Welche Farbe? Haben Sie die Wagenpapiere da?« Er schrieb mit, während er in den Hörer lauschte. »Ja, ich danke Ihnen. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.«
Er legte auf und riss das Blatt von seinem Notizblock. »Sucht nach diesem Auto«, sagte er und reichte den Männern das Blatt. »Auf der Schnellstraße nach Marseille. Bringt ihn mir lebend, falls möglich. Wenn nicht …« Er brach mit einem Schulterzucken ab.
»Und die Frau?«
Ronsard zögerte. Er wusste nicht, wie weit Niema in die Sache verwickelt war. Er hatte selbst ihr Zimmer durchsucht und nichts Verdächtiges dort gefunden. Konnte Temple sie entführt haben? Eins jedoch wusste er ganz genau: Der Mann war verrückt nach ihr. Die Blicke, mit denen er sie angesehen hatte, konnten nicht gespielt gewesen sein. Das konnte natürlich auch der Fall sein, wenn sie Partner waren, aber falls nicht, so war Temple kein Mann, der vor einer Entführung zurückschreckte, falls sie nicht freiwillig mitkommen wollte.
Die Niema, die er kannte, war fröhlich, ein wenig scharfzüngig mitunter und besaß ein gutes Herz. Er musste daran denken, wie sie Laure das Schminken beigebracht hatte, die liebenswerte Art, in der sie mit ihr redete, überhaupt nicht herablassend, als wäre Laure, nur weil sie krank war, auch ein wenig schwer von Begriff.
Um Laures willen sagte er: »Tut ihr nichts. Bringt sie zu mir.«
25
Sie erreichten Valence noch vor dem Morgengrauen. John durchstreifte die Gegend auf der Suche nach einem viel versprechenden Objekt. Die Stadt besaß über sechstausend Einwohner, also dürfte es nicht allzu schwierig werden, das Gewünschte zu finden.
Er warf einen Seitenblick auf Niema, die steif und aufrecht dasaß wie ein kleiner Soldat, und presste grimmig die Lippen zusammen. Er hätte sie heute Nacht beinahe umgebracht. Er war so sicher gewesen, dass es nur ein Routine-Job sein würde, die Sorte, die er mit verbundenen Augen hinbekam, doch stattdessen waren sie nur knapp mit dem Leben davongekommen.
Und er riskierte noch immer ihr Leben. Er wusste es, konnte sich aber trotzdem nicht dazu durchringen, den Anruf zu machen, dafür zu sorgen, dass sie unverzüglich abgeholt wurden. Nein, nicht jetzt, nicht wo das, was er in Ronsards Büro mit ihr gemacht hatte, wie eine sprungbereite Schlange zwischen ihnen stand.
Ein einziger Anruf. Mehr bräuchte es nicht. Man würde sie innerhalb einer Stunde abholen und nach Nizza fliegen, wo er die Diskette gleich via Satellit an Langley weiterleiten und den Job abschließen konnte. Aber so, wie die Dinge im Moment lagen, würde sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um von ihm fort und nach Hause zu kommen. Das konnte er nicht zulassen, nicht wie die Dinge standen.
Er hatte sich große Mühe gemacht, vor ihr zu verbergen, was er für sie empfand, und das wirkte sich nun schlecht für ihn aus. Sie dachte, sie wäre nichts weiter für ihn als ein Mittel zum Zweck. Was würde sie sagen, wenn er ihr die Wahrheit erzählte, dass die Sache in Ronsards Büro zwar ursprünglich als Täuschungsmanöver gedacht war, er jedoch seine Chance gewittert und rücksichtslos verfolgt hatte? Und was noch schlimmer war, er würde es wieder tun. Er würde sie nehmen, wann immer und wie immer sich die Gelegenheit bot.
Alles, was er in Ronsards Haus zu ihr
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