John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
Region.
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Washington D. C.
Die beiden Männer saßen einvernehmlich an einem Walnussbaumtisch aus dem 19. Jahrhundert; das Holz besaß einen samtigen Schimmer, und die Platte hatte Intarsien aus rosarotem, italienischem Marmor. Zwischen den Männern befand sich ein hübsches Schachbrett mit handgeschnitzten Figuren. Die Bibliothek, in der sie saßen, wirkte ausgesprochen maskulin und gemütlich, wenn auch ein wenig schäbig. Natürlich hätte es sich Franklin Vinay leisten können, den Raum zu renovieren, aber er mochte ihn so, wie er war. Mrs. Vinay hatte ihn im Jahr vor ihrem Tod neu einrichten lassen, und er fand Trost zwischen diesen Dingen, die sie für ihn ausgesucht hatte.
Das Schachspiel hatte sie bei der Auflösung eines Anwesens in New Hampshire erstanden. Dodie liebte diesen privaten Trödel, wie Frank sich zärtlich erinnerte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich ihre Begeisterungsfähigkeit, die Freude an den kleinen Dingen des Lebens, bewahrt. Seit zehn Jahren war sie jetzt schon tot, und es verging kein Tag, an dem er nicht an sie dachte, manchmal noch voll Kummer, doch öfter mit einem Lächeln, denn es waren schöne Erinnerungen.
Wie immer hatten er und John eine Münze geworfen, um zu entscheiden, wer anfing. Frank hatte Weiß gezogen und sofort mit einem aggressiven, wenn auch konventionellen Zug eröffnet: Bauer vor dem König zwei Felder vor. Manchmal bevorzugte er die einfachen Züge, denn nicht selten ist das Erwartete am unerwartetsten.
Frank hielt sich selbst für einen ausgezeichneten Schachspieler. Da wollte es schon etwas heißen, wenn er eingestand, dass es nicht leicht für ihn war, John zu schlagen. Der jüngere Mann besaß die analytischen Fähigkeiten eines Computers, die Geduld eines Hiob und konnte zur rechten Zeit aggressiver sein als General George Patten. John Medina war, im Schach ebenso wie auf seinem erwählten beruflichen Betätigungsfeld, ein äußerst gefährlicher Gegner.
Kaiser, ein riesiger deutscher Schäferhund, lag zufrieden schnarchend zu ihren Füßen. Gelegentlich stieß er ein leises Jaulen aus, das so gar nicht zu seiner Statur passen wollte. Wahrscheinlich jagte er im Traum gerade Kaninchen. Aber Kaisers Friedfertigkeit war beruhigend.
Das Haus war heute Morgen erst auf Wanzen untersucht worden und ein zweites Mal gegen Abend, als Frank aus dem Büro zurückkehrte. Statikgeräusche verhinderten einen Abhörversuch mit einer Parabolschüssel, sollte jemand auf einen solchen Gedanken kommen. Das Alarmsystem war das Neueste vom Neuen die Türschlösser die besten, die zu haben waren, und die Fenster mit Stahlrahmen verstärkt.
Dieses Haus, das sich äußerlich nicht von den anderen gut situierten Anwesen dieser Gegend unterschied, war in Wahrheit eine Festung. Beide Männer wussten jedoch, dass selbst die stärkste Festung überwunden werden konnte. Frank besaß daher eine Neun-Millimeter, griffbereit in einer Schreibtischschublade. Johns Pistole steckte im Gürtelholster an seinem Rücken. Franks Stellung als Vizepräsident der CIA machte ihn zu einem wertvollen Gut für die Geheimdienste dieser Welt; aus diesem Grund wussten nur sehr wenige, wo er wohnte. Sein Name war weder auf einer Besitzurkunde noch auf irgendeiner Stromrechnung zu finden. Jeder Anruf, den er von zu Hause aus machte oder dort erhielt, wurde über mehrere Relais geleitet, sodass er nicht zurückverfolgt werden konnte.
Und dennoch, dachte Frank trocken, wenn eine feindliche Regierung, egal welche, die Wahl zwischen ihm und John Medina hätte, dann wäre gewiss er derjenige, der sitzen bliebe.
John musterte, nachdenklich seinen Turm streichelnd, das Schachbrett und überlegte sich seinen nächsten Zug. Als er sich entschieden hatte, ließ er vom Turm ab und machte einen Zug mit seinem Läufer. »Wie geht’s meinen Freunden in New Orleans?«
Die Frage kam für Frank keineswegs überraschend. Monate, ja manchmal sogar ein ganzes Jahr konnten verstreichen, bevor er und John sich wieder sahen, aber wenn das der Fall war, dann stellte John stets gewisse Fragen. »Gut geht’s ihnen. Sie haben jetzt ein Baby, einen kleinen Jungen, der letzten Monat auf die Welt kam. Und Detective Chastain ist auch nicht länger bei der Kriminalpolizei von New Orleans. Er arbeitet jetzt für die Staatspolizei, im Rang eines Lieutenants.«
»Und Karen?«
»Die arbeitete in der Notaufnahme, jedenfalls bis das Baby geboren wurde. Jetzt hat sie sich für mindestens ein Jahr freistellen lassen, glaube ich,
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