John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
eine ganze Masse von persönlichen Informationen über Louis Ronsard – seine Eltern, wo er aufwuchs, Schulzeugnisse, Freunde, Freizeitaktivitäten. Louis kam keineswegs aus ärmlichen Verhältnissen; sein Vater war ein Industrieller gewesen, seine Mutter eine Schönheit aus gutem Hause, die ihre Kinder verwöhnt hatte – Louis, den Ältesten, und Mariette, die drei Jahre jüngere Schwester.
Louis besuchte gerade die Sorbonne, als seine Mutter an Gebärmutterkrebs starb. Sein Vater kam fünf Jahre später bei einer Geschäftsreise auf einer deutschen Autobahn um. Danach hatte Louis den Familienbetrieb übernommen und war, aus unbekannten Gründen, in die Halbwelt eingetaucht. Von da an bis heute gab es nur mehr sehr wenige Informationen über ihn, obwohl er alles andere als ein Einsiedler war.
Ronsard besaß ein streng bewachtes Anwesen in Südfrankreich. Er beschäftigte eine kleine Privatarmee, um seine Sicherheit zu gewährleisten; jeder Angestellte musste strengen Standards genügen. Die CIA hatte dort zwar einen Agenten eingeschleust, bisher jedoch ohne Ergebnis; der Mann hatte nichts Nützliches herausfinden können, da sein Wirkungsbereich strikt eingeschränkt war. Aber er befand sich noch vor Ort, und John merkte sich den Namen des Agenten und unter welchem Cover er arbeitete.
Es gab auch ein neueres Foto; Ronsard war ein sehr attraktiver Mann, mit leicht exotischen Gesichtszügen und einem olivfarbenen Teint. Er trug sein schwarzes Haar schulterlang, gewöhnlich zu einem Schwanz zusammengebunden, doch bei offiziellen Anlässen und Gesellschaften ließ er es gerne offen. Auf dem Foto tauchte er gerade im Smoking auf einem Bankett auf, am Arm eine strahlende Blondine, die bewundernd zu ihm auflächelte. Das war Sophie Gerrard, für kurze Zeit die Geliebte Ronsards, doch nun bestand kein Kontakt mehr zwischen den beiden.
Die Liste von Ronsards Eroberungen war lang. Frauen fanden ihn äußerst attraktiv. Seine Beziehungen dauerten nie lange, doch schien er immerhin rücksichtsvoll und aufmerksam zu sein, bis sein marodierendes Auge auf die nächste Dame fiel.
Es gab zwar einen Lageplan von Ronsards Grundstück, aber nichts über das Haus selbst. Ronsard empfing gelegentlich Gäste, doch waren die Gesellschaften derart exklusiv, dass es der CIA bisher noch nicht gelungen war, jemanden einzuschleusen, sei es nun als Gast oder Hauspersonal. Sicher, Ronsard war bisher nicht auf den ersten Plätzen ihrer Liste gestanden, und man hatte sich dementsprechend nicht allzu viel Mühe gegeben.
Nun lagen die Dinge anders. Ronsard war soeben an die Spitze der Liste gerückt.
John kämmte weitere Files durch, Dokumente über seine Finanzen, zumindest das, was darüber bekannt war, über sein Sicherheitssystem, von wem es stammte und wer es installiert hatte und ob irgendwelche Schaltpläne existierten. Er fand nur wenig; Ronsard hatte entweder die meisten Informationen gelöscht, oder es waren nie viel vorhanden gewesen.
Als er fertig war, war es bereits zwei Uhr morgens. Auf einmal merkte er, wie verspannt er war, und streckte sich. Heute Abend traf er sich ein weiteres Mal mit Frank. Vielleicht hatte er dann ja mehr über den Flugzeugabsturz. Bis dahin gab es nichts weiter für ihn zu tun.
Er duschte sich und fiel ins Bett. Als geborener Krieger besaß er das Talent, schnell und traumlos schlafen zu können, doch heute Abend ertappte er sich dabei, wie er zur Decke starrte, wo das winzige rote Licht des Rauchmelders blinkte. Er wusste genau, warum er nicht einschlafen konnte.
Der Grund war Niema.
Dallas war seit fünf Jahren tot. Wieso hatte sie nicht wieder geheiratet oder zumindest eine feste Beziehung? Sie war noch jung – erst fünfundzwanzig, als Dallas starb – und sehr hübsch. Fünf lange Jahre hatte er nie gefragt, hatte sich nie erlaubt, sich persönlich von ihrem Wohlergehen zu überzeugen. Diesmal jedoch hatte er gedacht, dass es möglich wäre, dass inzwischen genug Zeit vergangen war, um herausfinden zu können, ob sie sich einen Mann genommen hatte und ein, zwei Kids besaß; das Leben ging schließlich weiter.
Aber sie hatte nicht. Sie war nach wie vor Single.
Ob sie sich verändert hatte? Vielleicht zugenommen, ein paar graue Haare? Viele Leute bekamen schon vor ihrem dreißigsten Lebensjahr die ersten grauen Haare. Ob ihre großen schwarzen Augen noch immer unendlich tiefe Seen waren, in denen ein Mann ertrinken wollte?
Er könnte sie sehen. Sie würde es nie erfahren. Er konnte seine
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