John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
Neugier befriedigen, könnte ein bisschen lächeln, aus reiner Freude an ihrem Anblick, und dann wieder verschwinden. Aber er wusste, dass er das nicht tun würde; ein sauberer Bruch war in einigen Fällen das Beste. Er war immer noch derselbe, hatte immer noch denselben Job, also hatte es gar keinen Zweck, sich Tagträumen hinzugeben, egal wie verlockend.
Das zu wissen war eine Sache, die Träume abzustellen eine andere. Er würde tun, was er tun musste, aber was er tun wollte, war, sie in den Armen zu halten, nur einmal, sie merken zu lassen, dass er es war, der sie küsste, der sie liebte. Einmal nur wollte er sie nackt sehen und nehmen, und dieses eine Mal musste genügen, denn mehr durfte er nicht riskieren.
Aber die Chancen dafür standen gleich Null. Also hörte er schließlich auf zu träumen, drehte sich auf die Seite und schlief ein.
John tauchte, wie schon am Tag zuvor, in einem Wagen mit schwarz getönten Scheiben bei Frank auf. Er fuhr rückwärts in die Gästegarage, deren Tor sich bei seiner Annäherung öffnete und wieder schloss, sobald er drinnen war. Den ganzen Tag über hatte er versucht, mehr über Ronsard rauszukriegen, hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er in Ronsards Anwesen gelangen und die Informationen erhalten könnte, die er brauchte; bis jetzt war ihm noch keine glorreiche Idee gekommen, aber das würde sich schon noch ergeben.
Frank öffnete die Haustür mit einem zerstreuten Gesichtsausdruck, der offenbar auf die Papiere zurückzuführen war, die er in der Hand hielt. Frank schien immer zu arbeiten, selbst zu Hause; er siedelte eben einfach vom Büro ins Arbeitszimmer um. Als Dodie noch lebte, hatte er sich oft bemüht, den Beruf vorübergehend beiseite zu lassen und nur mit ihr zusammen zu sein. Aber nicht selten war er rasch wieder mit den Gedanken woanders gewesen, und sie hatte ihn lachend ins Arbeitszimmer gescheucht. Jetzt, wo Dodie nicht mehr da war, arbeitete Frank häufig sechzehn Stunden am Tag.
»Ich wollte gerade den Kaffee holen«, sagte er zu John. »Geh schon mal in die Bibliothek, ich komme gleich.«
John blieb stehen und musterte seinen alten Freund zweifelnd. Frank war kein Hausmann; er bemühte sich redlich, doch hatte er kein einziges Kaffee machendes Gen im Leib. Nach Dodies Tod hatte John rasch gelernt, dass er, wenn er – genießbaren! – Kaffee wollte, ihn am besten selber machte.
Frank, der seinen Blick bemerkte, entgegnete irritiert: »Ich hab ihn nicht gemacht, Bridget war’s.« Bridget war seine Haushälterin, eine CIA-Angestellte, die sich um Frank und Dodie kümmerte, seit Ersterer Vizepräsident geworden war. Sie ging nach Hause, wenn sie ihm Abendessen zubereitet und in der Küche aufgeräumt hatte, vorausgesetzt, er aß an diesem Abend überhaupt zu Hause. Sie also hatte den Kaffee gekocht und in eine Thermoskanne gefüllt, damit er warm blieb.
»Wenn das so ist, dann hätte ich gern eine Tasse.« Grinsend schlenderte John Richtung Bibliothek, wobei er Franks gemurmeltes »Klugscheißer« noch deutlich hörte.
Die Bibliothekstür stand offen. John trat ein, blieb aber dann wie angewurzelt hinter der Türschwelle stehen. Er fluchte innerlich, ansonsten war sein Gehirn einen Moment lang vollkommen leer. Zur Hölle mit Frank! Musste der Kerl sich immer einmischen!
Niema Burdock erhob sich langsam aus ihrem Sessel. Im warmen Lampenlicht konnte er sehen, dass sie ganz blass geworden war. Ihre Augen waren genauso groß und dunkel, wie er sie in Erinnerung hatte, dunkler sogar, und er bemerkte, wie sie sich bei seinem Anblick ein wenig verengten. Sie stieß nur ein Wort hervor: »Tucker.«
John zwang seine Beine vorwärts, zwang sich, die Bibliothek so lässig zu betreten, als hätte er von vornherein gewusst, dass er sie dort finden würde. Er schloss die Tür; sollte Frank davon halten, was er wollte. »Weißt du«, sagte er, als wären inzwischen nicht fünf Jahre vergangen, »du hattest Recht. Tucker ist nicht mein richtiger Name. Ich heiße John Medina.«
Er war nie um Worte verlegen; er hatte gelernt, nie in Panik zu geraten, nie unkonzentriert zu reagieren. Aber diese plötzliche Begegnung mit ihr war ein Schock für ihn, ein Magenschwinger. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich nach ihr gesehnt hatte, wieso sonst sollte er einfach etwas heraussprudeln, das er ihr fünf Jahre zuvor verschwiegen hatte?
Fast keiner, den er traf, kannte seinen richtigen Namen. Es war sicherer so, für beide Seiten. Warum also
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