John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
je wieder zu sehen. Wie hätte sie also auf so ein Aufeinandertreffen vorbereitet sein können? Tucker – nein, Medina – war untrennbar mit den schlimmsten Ereignissen ihres bisherigen Lebens verbunden, so sehr, dass allein der Klang seiner Stimme genügte, sie fünf Jahre in die Vergangenheit zurückzukatapultieren.
»Ich hätte wissen müssen, dass du fest zur CIA gehörst und nicht nur Vertragsagent bist.« Rückblickend kam sie sich wie eine leichtgläubige Idiotin vor, aber im Nachhinein wusste man es halt immer besser.
»Wie kommst du darauf?« Es klang interessiert. »Für euch war ich doch ein Vertragsagent.«
Jetzt, im Nachhinein, erkannte sie, dass Dallas Bescheid gewusst haben musste, und das war auch der Grund, weshalb er Medina zum Dableiben gedrängt hatte, um ihn nicht unnötig der Gefahr einer Gefangennahme auszusetzen. Dallas war als Ex-SEAL an höchste Geheimhaltung gewöhnt, ebenso daran, nie unnötig Informationen preiszugeben. Vor diesem Hintergrund hatte er diese Tatsache selbst ihr, seiner Frau, verschwiegen. Aber jetzt war auch sie fest bei der CIA angestellt und wusste, wie die Dinge liefen. Man war verschwiegen, man erzählte weder Freunden noch Nachbarn, welchen Beruf man hatte; Diskretion wurde einem zur zweiten Natur.
»Dallas wusste es, stimmt’s?«, fragte sie, nur zur Bestätigung.
»Er wusste, dass ich kein Vertragsagent war. Aber meinen richtigen Namen kannte er nicht. Er kannte mich nur als Tucker.«
»Und warum hast du’s mir gesagt? Das war unnötig.« Sie wünschte, er hätte es nicht getan. Falls nur die Hälfte der Gerüchte über den geheimnisumwitterten, schattenhaften John Medina stimmten, dann wollte sie gar nicht wissen, wer er wirklich war. In diesem Fall war Ignoranz ungefährlicher als Diskretion.
»Vielleicht war es das.«
Er klang nachdenklich, schwieg aber dann.
»Wieso hast du uns nicht reinen Wein eingeschenkt? Wir waren ein Team. Keiner von uns wollte dir was Böses.«
»Wenn ihr meinen richtigen Namen nicht kennt, hätte man ihn euch bei einer eventuellen Gefangennahme auch nicht abpressen können.«
»Und wenn sie dich geschnappt hätten?«
»Das hätten sie nicht.«
»Ach nein? Und wie wolltest du das verhindern?«
»Mit Gift«, entgegnete er schlicht.
Niema erschauderte. Sie wusste, dass einige Agenten, damals in den Zeiten des Kalten Kriegs, stets eine Giftpille, gewöhnlich Zyankali, bei sich trugen, die sie eher zu schlucken bereit waren, als zu erlauben, dass sie in Gefangenschaft gerieten. Bei dem Gedanken, dass John Medina das Gleiche zu tun bereit war, wurde ihr ganz schlecht.
»Aber …«
»Das ist weitaus besser, als zu Tode gefoltert zu werden.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe über die Jahre eine ganze Menge Leute verärgert. Die hätten alle liebend gern ein Stück von mir.«
Nach dem, was sie über ihn gehört hatte, untertrieb er gewaltig. Man behauptete sogar, er habe seine eigene Frau getötet, als er entdeckte, dass sie eine Doppelagentin und dabei war, einen wichtigen Agenten auffliegen zu lassen. Dieses Gerücht glaubte Niema zwar nicht, aber so gesehen hatte sie ja auch nicht an John Medinas richtige Existenz geglaubt. Keiner derjenigen, der von ihm berichtete, hatte ihn je selbst zu Gesicht bekommen oder kannte auch nur jemanden, der wusste, wie er aussah. Sie hatte immer gedacht, er wäre … eine Art Mythos, zumindest in Geheimdienstkreisen.
Sie konnte es kaum fassen, dass es ihn nicht nur tatsächlich gab, sondern dass sie ihn obendrein kannte. Und noch erstaunlicher war die gelassene Art, in der er all das Drumherum um seine Person akzeptierte, als wäre es ganz einfach der Preis, den er bezahlen musste, um das tun zu können, was er tun wollte.
»Angesichts deiner Situation«, sagte sie schließlich, »hättest du’s mir jetzt auch nicht verraten sollen.« Die Tatsache, dass er es doch hatte, machte sie misstrauisch.
»Ich war einfach so überrascht, dich zu sehen, dass es mir schlichtweg rausgerutscht ist.«
Der Gedanke, dass irgendetwas diesen Mann überrumpeln könnte, kam ihr derart abwegig vor, dass sie schnaubte und sagte: »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, was?«
»Aber es stimmt«, murmelte er. »Ich wusste nicht, dass du auch kommst.«
»Du wusstest nicht, dass Mr. Vinay … na ja, was auch immer von mir wollte? Und du bist ganz zufällig aufgekreuzt? Solche Zufälle gibt’s nicht.«
»Du würdest dich wundern.«
»Erwartet er von dir, dass du mich zu der Sache
Weitere Kostenlose Bücher