John Medina - 02 - Gefaehrliche Begegnung
wie dich zu haben.«
Laure blickte zu ihrem Vater auf, und abermals stand in ihren Augen ein Blick ungewöhnlicher Reife. »Nein, ich habe Glück«, sagte sie.
Er küsste sie, streichelte ihre Wange und wandte sich lächelnd ab. Doch der Griff, mit dem er Niemas Hand umklammerte, war mörderisch.
Draußen im Gang, als die Tür hinter ihnen zu war, stieß er ein gepresstes »Dieu« hervor, beugte sich vor, stemmte die Hände auf die Knie und rang keuchend nach Luft.
Niema streckte ganz automatisch tröstend die Hand aus, zögerte dann jedoch mitten in der Bewegung und berührte ihn schließlich nach kurzer Überlegung federleicht am Rücken.
Ein paar Sekunden später richtete er sich wieder auf und schritt den Gang entlang weiter. Erst als sie außer Hörweite waren, sprach er wieder. »Manchmal ist es mehr, als ich ertragen kann«, sagte er mit immer noch leicht gepresster Stimme. »Ich muss mich entschuldigen. Ich hatte ja keine Ahnung – ich habe immer versucht, ihr das wahre Ausmaß ihrer Krankheit zu verheimlichen, aber sie ist so wahnsinnig intelligent …« Seine Worte erstarben.
»Was stimmt nicht mit ihr?«, erkundigte sich Niema behutsam. Auf einem Beistelltisch standen eine Likörkaraffe und ein paar Gläser. Sie ging dorthin und goss ihm ein ordentliches Glas von der Flüssigkeit ein. Er stürzte es ohne ein Wort herunter.
»Zu viel«, sagte er dann, das leere Glas in den Händen drehend. »Wenn’s nur eine Sache wäre, könnte man was machen. Sie hat ein krankes Herz, nur eine Niere und Zystische Fibrose. Letztere scheint mehr ihr Verdauungssystem als ihre Lungen anzugreifen, oder sie wäre schon längst …«
Er brach ab und schluckte schwer. »Sie bekommt neue Medikamente, die ihr helfen, trotzdem ist es ungeheuer schwer für ihren Körper, die notwendigen Nährstoffe aufzunehmen. Sie isst andauernd, aber weder wächst sie noch nimmt sie zu. Und die paar Zentimeter, die sie gewachsen ist, belasten ihr Herz. Eine Herztransplantation kommt wegen der Zystischen Fibrose nicht in Frage.« Sein Mund verzog sich zu einem bitteren Lächeln, das absolut kein Lächeln war. »Ein passendes Spenderherz zu finden ist fast unmöglich. Sie bräuchte wegen ihrer Größe das Herz eines Kindes, und Spenderherzen von Kindern sind eine Seltenheit. Außerdem ist sie Blutgruppe A negativ, was ihre Chancen auf ein passendes Herz auf fast Null reduziert. Selbst wenn eins zu haben wäre, wäre man in medizinischen Kreisen der Meinung, es lieber nicht an jemanden zu verschwenden, der … der noch so viele andere Probleme hat.«
Darauf gab es nichts zu sagen. Sie brachte es nicht über sich, ihm sinnlose Trostworte zu sagen, wo Laures Zustand nicht hoffnungsloser sein konnte.
»Ich versuche schon seit Jahren, über den Schwarzmarkt an ein Spenderherz zu kommen.« Er starrte blicklos in sein Glas. »Ich investiere enorme Summen in die Genforschung auf diesem Gebiet, in neue Medikamente, alles, alles, was ihr nur irgendwie helfen könnte. Wenn man doch nur eins ihrer Probleme heilen könnte – nur eins!«, stieß er heftig hervor. »Dann hätte sie eine Chance.«
Da wurde ihr mit einem Mal schlagartig alles klar. »Deshalb sind Sie …« Sie hielt inne, wollte den Satz nicht zu Ende sprechen.
Doch er beendete ihn für sie. »Waffenhändler geworden? Ja. Ich brauchte schleunigst enorme Geldsummen. Die Wahl war entweder Drogen oder Waffen. Ich entschied mich für Waffen. Falls auch nur irgendwas – irgendwas – geschieht, das ihre Chancen erhöht, ob es nun ein Spenderherz ist, das auf wundersame Weise verfügbar wird, oder eine neue Behandlungsmethode, dann muss ich die nötigen Barmittel sofort zur Verfügung haben. Auch die Forschung ist enorm kostspielig.« Er zuckte die Schultern. »Sie ist mein Kind«, erklärte er schlicht. »Soll der Teufel ruhig meine Seele haben, wenn sie dafür leben darf.«
Sie wusste, dass er ein vielschichtiger Mann war. Abgesehen von seinen Geschäften, erschien er ihr wie ein Ehrenmann, einer, der die beiden Hälften seines Lebens vollkommen trennte. Was er tat, war verabscheuungswürdig, aber er tat es aus Liebe zu seinem Kind. Ihr Herz blutete um seinet- und um seiner kleinen Tochter willen.
»Was ist mit Laures Mutter?«
»Sie … sie war nur ein Flirt. Sie wollte das Baby gar nicht, aber ich habe sie dazu überredet, es auszutragen. Ich habe alle Kosten übernommen und ihr noch einen Pauschalbetrag für ihre Mühen bezahlt. Ich glaube nicht, dass sie Laure je gesehen hat. Die
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