John Sincalir - 0971 - Ein Galgen für Morgana (3 of 3)
Sinclair.
Es paßte ihm nicht, daß er bereits seinen Ort erreicht hatte. Den hatte Cursano für sich aufheben wollen, ein anderer sollte damit nichts zu schaffen haben.
Aber die Umstände waren gegen ihn gewesen. So mußte er nach dem Erreichen des Ziels die Situation ausnutzen, wobei er Sinclairs Tod nicht ausschloß.
Die Ebene in der Nähe des Sees hatte er hinter sich gelassen. Vor ihm lag der Hang. Links von ihm streckte sich der dunkle Wald. Den würdigte er mit keinem Blick; seine Augen waren nach vorn gerichtet. Bei jeder Gehbewegung tanzten sie durch die Luft wie kleine Scheinwerfer. Immer auf und ab.
Er sah den Tafelberg!
Ein kantiger Schatten, der selbst in der Dunkelheit die doch starren Umrisse nicht verloren hatte.
Eine Veränderung war nicht auszumachen, doch der Ort der Kraft strahlte seine Energie so heftig ab, daß Cursano die kurzen Stöße stets wie Peitschenschläge mitbekam.
Er beschleunigte seine Schritte. Unter dem Mantel dehnte und bewegte sich sein aus Wurzeln und Knollen bestehender Körper. Ohne den Schutz aus Stoff hätte sein Schädel wie ein Fremdkörper gewirkt, so aber sah ihm niemand an, was der Mantel verbarg.
Der Mund stand bei ihm offen. Die Nasenlöcher waren leicht nach außen gebläht. Aus ihnen und aus dem Mund drang ein feuchter und alter Waldgeruch.
Nie zuvor hatte Cursano einen so mächtigen Ort der Kraft erlebt. In all den langen Jahren nicht, in denen er existierte, war ihm eine derartige Stelle begegnet. Alle anderen Orte, die er zuvor entdeckt hatte, waren im Vergleich zu diesem nur Peanuts.
Stark, sehr stark. Vielleicht sogar übermächtig, aber das würde er ebenfalls sein.
Der Gedanke daran ließ ihn noch schneller gehen. Raumgreifend waren seine Schritte. Er rutschte nie ab, er kam sehr gut voran. An der Veränderung des Untergrunds merkte er sehr deutlich seine Ankunft in den kahleren Regionen. Das Gras wuchs hier nur spärlich. Auch die Anzahl der mit dem Boden verhafteten Steine hatte zugenommen, und an manchen Stellen wuchs nicht mal mehr Gras.
Er kam.
Und er sah!
Diesmal war es kein Fühlen mehr. Keine Botschaft auf geheimnisvolle Art und Weise. Die runden, laternenhaften Glotzer waren auf ein bestimmtes Ziel gerichtet.
Ein hellerer Fleck in der Wand.
Und davor ein Schatten mit menschlichem Umriß.
John Sinclair!
Stören würde er ihn nicht, nicht mehr, denn das hier war einzig und allein seine Aufgabe …
*
Die Blutbeute lag reglos zu den Füßen des Vampirs. Er stand noch auf der Schwelle und wirkte wie jemand, der sein Glück nicht fassen konnte, das ihm in den Schoß gefallen war.
Er hatte den Kopf etwas angehoben, um in die Finsternis zu starren.
Da bewegte sich nichts.
Es war keiner da, der ihm das Opfer hätte streitig machen können. Er war allein mit ihm.
Der Mund des Untoten schnappte auf. Ein Mensch wäre vor dem Geruch zurückgewichen, der ihm entgegenwehte. Er war einfach zu schlimm, zu faulig und ekelhaft.
Für einen Sendboten der Finsternis gerade richtig. Der war einzig und allein darauf trainiert, neue Kraft zu erhalten. Und dabei mußte es zu diesem Austausch kommen.
Das Opfer war voll, er war leer. Schon bald würde es umgekehrt sein, das stand fest.
Der Untote bewegte seinen rechten Fuß. Es war der erste, noch etwas unsichere Schritt, den er in die Hütte tat. Hinter ihm blieb die Tür zurück, nach vorn hin sah er den Ausschnitt des rückwärtigen Fensters, und am Boden lag der Mensch, über den er stolperte, weil er nicht achtgegeben hatte.
Der Eindringling landete auf dem Boden, rollte sich noch zur Seite und schob einen Stuhl ein Stück weiter.
Auf ihm stemmte er sich ab, um auf die Beine zu kommen. Als er stand, sah er sein Opfer aus einer anderen Perspektive. Beim erstenmal hatte er es von unten gesehen, jetzt schaute er praktisch auf den Mann hinunter. Er nahm die verkrümmte Haltung zur Kenntnis, schaute auf die rechte Gesichtshälfte und sah den rechten Arm, aber nicht den linken, weil dieser unter dem Körper vergraben lag.
Der Arm, die Hand und …
Der Blutdurst des Wiedergängers war verdammt groß. Trotzdem hatte er sich noch von dem ablenken lassen, was der Mensch in seiner rechten Hand hielt. Er kam damit nicht zurecht. Es sah aus wie eine Röhre, aus der etwas hervorschaute.
Der Vampir beugte sich vor. Er hatte in dieser Haltung ebenfalls seine Probleme mit dem Gleichgewicht, und der Körper schwang dabei nach vorn.
Der Untote ließ sich fallen. Es sah alles gut aus. Er würde neben
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