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John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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bezahlen und auch nicht nach einem One-Night-Stand Ausschau zu halten, würde er gewiss nicht bis zur Hochzeit warten, sobald er der richtigen Frau begegnete, für die er auch etwas empfand.
    Während er einer großen Blondine nachsah, die an ihm vorüberstolzierte, hoffte er, dass er die richtige Frau bald finden würde.
     
    Für die nächste Woche quartierte er sich in einem anonymen Hotel in Kowloon ein. Um sich die Zeit zu vertreiben, spazierte er jeden Morgen über die von Menschen wimmelnden Straßen Hongkongs und verbrachte die Nachmittage in der Zentralbibliothek der Stadt, einem massiven Gebäude aus Stein und Glas gegenüber des Victoria Parks. Dort durchblätterte er Zeitungen und Zeitschriften, um die verlorenen Jahre aufzuholen. Monica Lewinsky und Newt Gingrich.
Der Crash der Technologiebörse. Der Euro. Britney Spears. Die Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000 mit der Neuauszählung von Florida. Die Jahre vor dem 11. September waren so ruhig gewesen wie die Wasseroberfläche eines Sees in Montana an einem heißen Sonnentag.
    Dann der Anschlag. In den allmählich vergilbenden Zeitungen des Jahres 2001 spürte man immer noch das Entsetzen. Wells erfuhr, dass die Angehörigen der Vermissten ganz New York mit Flugblättern zupflasterten. Diese Denkschriften aus Papier sagten mehr aus als jedes Monument. Ebenso wie Rudy Giulianis Antwort am Tag des Anschlags, als ihn ein Reporter fragte, wie viele Menschen den Tod gefunden hätten: »Mehr als wir ertragen können.«
    Wie würde es das nächste Mal sein?, fragte sich Wells. Was werden wir dann ertragen müssen?
    Inzwischen hatten die USA zurückgeschlagen und waren in Afghanistan und im Irak einmarschiert in der Hoffnung, ihre Feinde in die Defensive zu drängen. Die amerikanischen Soldaten hatten die Taliban-Kämpfer und die Streitkräfte von Saddam Hussein bestraft. Allerdings fürchtete Wells, dass sie auch unter einer Milliarde Muslime eine Generation der Wut geweckt hatten. Jedes Mal, wenn ein amerikanischer Soldat eine Moschee betrat, wurde ein Dschihadi geboren. Wie es aussah, saßen die USA nun im Irak in der Falle. Das Abwägen der einzelnen Möglichkeiten bereitete ihm Kopfschmerzen. Schließlich rettete er sich in die Sicherheit der Sportseiten, wo er entdeckte, dass die Red Sox die Yankees geschlagen und die World Series gewonnen hatten. Theo Epstein war ein Genie.
    Nachts trank er an der Bar des Peninsula Hotels eine Cola, sah über den Victoria-Hafen hinüber zu den Lichtern von Hongkong und hörte den Telefongesprächen zu, die andere
Ausländer über ihre Mobiltelefone führten. Alle sprachen unentwegt in einem komprimierten Englisch, dem Wells kaum folgen konnte.
    »Wäre besser diese Woche, sonst geschieht es nie …«
    »Ja, Bali dieses Wochenende, dann hierher zurück, und dann San Francisco …«
    »Diese neuen Intel-Chips sind unglaublich …«
    Allmählich bekam er das Gefühl, dass er der Einzige in der ganzen Stadt war, der keinen Sex hatte und keine Geschäfte machte. Oder zumindest davon sprach. Für diese Menschen schien die Globalisierung keine Bedrohung sondern ein verheißungsvolles Versprechen zu sein. Sie wussten, wie man auf der weltweiten Welle ritt. Außerdem wurden sie nicht dafür bezahlt, dass sie all jene bemerkten, die in ihrem Sog untergingen.
    Trotzdem tat ihm Hongkong gut. Die Energie der Stadt floss in ihn ein, und allmählich fühlte er, wie sein Blut in Schwung kam. Er fand sogar eine Zahnärztin, die seinen kaputten Backenzahn behandelte. Nach dem ersten Blick in seinen Mund stutzte sie. »Gibt es in den USA keine Zahnbürsten? « Um die langen Abstände zwischen den einzelnen Badeeinheiten in der Nordwestprovinz wettzumachen, duschte er dreimal täglich. Zur Entspannung ging er zu den Pferderennen von Sha Tin. Auch wenn er nicht wettete, genoss er die prunkvolle Atmosphäre: die Milliardäre, die von halb so alten Frauen begleitet wurden, die geschmeidigen Vollblüter, die nahezu tänzelnd an den Start gingen, und natürlich die anfeuernden Rufe des Publikums, wenn sich die Pferde dem Ziel näherten.
    Als er eines Morgens auf der Garden Road am amerikanischen Konsulat vorüberging, fühlte er sich ein wenig schuldig. Er hätte längst mit den Mitarbeitern der CIA im Konsulat
Kontakt aufnehmen sollen, aber er konnte sich nicht dazu überwinden, seine Freiheit so früh aufzugeben. Sobald er zur CIA ging, würden sich neue Aufpasser an seine Fersen heften. Er würde wochenlang vernommen und mit einem endlosen

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