Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes

Titel: John Wells Bd. 1 - Kurier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
Vom Netzwerk:
von mehreren Wochen. Manchmal saß er wieder mit ihr im Jeep. Dann war er bei ihr in der Nacht, in der sie ihre Jungfräulichkeit verlor. Und jedes Mal wachte er mit einer kräftigen Erektion in seinen Boxershorts auf. Auch wenn er kein Foto von ihr besaß, sah er ihre blauen Augen und ihre durchscheinend weiße Haut immer vor sich. Ebenso wie die kaum wahrnehmbare Unregelmäßigkeit in ihrem Gang. Selbst auf einhundert Meter Entfernung war er sicher, sie in einer Menge ausmachen zu können. Und genauso sicher war er, dass sie ihm gegenüber dieselben Gefühle hegte.
    Was wusste er in Wirklichkeit von ihr? Vielleicht hatte sie sich die ganze Geschichte nur ausgedacht, oder sie hatte
nur auf Anordnung eines Vorgesetzten Gefühle für ihn vorgetäuscht. Die CIA hatte schon oft Sex als Waffe eingesetzt. Wells schüttelte abwehrend den Kopf. Nein, wenn diese Geschichte vorgetäuscht war, dann gehörte sie nach Hollywood und nicht nach Langley. Wenn er nicht mehr seinen Instinkten vertraute, würde er schon bald an jeder Ecke einen FBI-Agenten sehen. Nein, Exley sehnte sich ebenso nach ihm, wie er sich nach ihr. Und sie würden einander wiedersehen. Zuvor musste er jedoch einen Job erledigen. Er musste für den Augenblick bereit sein, wenn die Al-Quaida mit einem Auftrag zu ihm käme.
    Damit schob er den Gedanken an Exley beiseite und fragte sich zum hundertsten Mal, warum ihn Khadri nach Atlanta geschickt hatte. Die Centers for Disease Control, die Bundesgesundheitsbehörde der USA, lag nur wenige Kilometer südlich seines Apartments. In den dortigen Kühlfächern lagerten Pocken- und Ebola-Erreger. Aber der CDC-Campus glich einer Festung mit Bewegungssensoren, bewaffneten Wächtern und biometrischen Schlössern. Khadri konnte unmöglich annehmen, dass sie dort je hineinkämen. Immerhin war Khadri kein Dummkopf. Dass er ein sadistisches Schwein war, stand nach den Bombenanschlägen von Los Angeles fest. Aber er war sicher kein Dummkopf.
    Was wollte Khadri dann hier? Hatte er es auf den Centennial Park abgesehen, wo 1996 die Olympischen Spiele stattgefunden hatten? Niemand interessierte sich noch für die Olympischen Spiele von 1996. Auf die Federal Reserve Bank? Auch uninteressant. Auf das Coca-Cola-Gebäude? Ja, das Coca-Cola-Gebäude wäre eine Möglichkeit. Immerhin stand Coca-Cola für den amerikanischen Imperialismus. Vielleicht hatte Khadri aber auch große Pläne für Fort Benning, das etwa einhundertsechzig Kilometer südlich von
Atlanta lag. In Wirklichkeit hatte Wells keine Ahnung, was Khadri plante und ob er ihn je kontaktieren würde. Trotzdem fuhr er regelmäßig im Abstand von wenigen Tagen in die Bibliothek von Doraville, um seinen E-Mail-Account zu kontrollieren, und mit derselben Regelmäßigkeit war sein Account leer.
    Aus Gewohnheit rollte Wells den Kopf. Hier neben seinen sterbenden Fischen zu grübeln, tat ihm nicht gut. Er musste hinaus. »Tut mir leid, Lucy«, rief er über die Schulter, während er zur Tür stürmte. »Tut mir leid, Ricky. Aber ihr habt wenigstens einander«, sagte er mit einem letzten Blick auf das Aquarium.
    Die Fische sagten nichts.
     
    Wells’ Ford Ranger hatte schon bessere Tage gesehen. Die Klimaanlage funktionierte kaum noch, und irgendjemand hatte die Abdeckung des Handschuhfachs abgerissen. Dafür war der Wagen vollkommen anonym. Ein kleiner weißer Pick-up, wie es etwa einhunderttausend in Georgia gab. Selbst wenn man ihn aufhielt, würde er keine Probleme bekommen. Immerhin stimmten der Name seiner Versicherung und seines Kraftfahrzeugbriefs mit dem Namen seines Führerscheins überein: Jesse Hamilton. Zusätzlich hatte er sich vor drei Monaten in Tennessee ein Motorrad gekauft: eine alte Honda CB500. Da er das Motorrad bar bezahlt und nicht umgemeldet hatte, konnte man es unmöglich mit ihm in Verbindung bringen. Für alle Fälle.
    Wells bog vom Buford Highway in den engen Parkplatz des Rusty Nail ein, eines Restaurants, dessen Eingangstür von einem fast zwei Meter langen schwarzen Revolver bewacht wurde, der in Wirklichkeit ein Grill war. Da das Rusty Nail für seine Grillspezialitäten berühmt war, stieg von der
Mündung des Revolvers Tag und Nacht eine dünne blaue Rauchfahne auf. Im Inneren erinnerte das achteckige Lokal durch seine Holzverkleidung an eine Schihütte, in deren Mittelpunkt die Bar stand, umgeben von einem Ring von Sitzgelegenheiten.
    Auf dem Bildschirm in der Ecke lief ein Spiel der Braves. Zigarettenrauch und der schwere Duft von Gegrilltem

Weitere Kostenlose Bücher