John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
aufzudecken, wenn er uns Robinson lieferte. Auf jeden Fall kam er eines Tages nicht zu einem vereinbarten Treffen. Danach haben wir ihn nie wieder gesehen. Er antwortete auch nicht auf unsere Signale.«
»Aber man hatte ihn nicht verhaftet«, sagte Exley.
»Nein. Es gibt ihn immer noch. Tatsächlich ist er heute eine so wichtige Persönlichkeit, dass man in den dortigen Zeitungen oft über ihn schreibt. Sein Name ist Cao Se.«
»Man könnte ihn doch zum Doppelagenten gemacht haben. Robinson könnte ihn längst verraten haben.«
»Wir haben ihn über Australien geführt, nicht über China. Dafür gab es keinen großartigen Grund. Er ist bloß mit uns auf einer Militärkonferenz in Sydney zusammengetroffen und hat sich später geweigert, einen anderen Führungsoffizier zu akzeptieren.«
»Sie glauben tatsächlich, dass er sich geschützt hat?«, fragte Shafer.
»Möglich ist es. Entweder absichtlich oder zufällig«, erklärte Tyson verärgert, ehe er sich wieder entspannt in seinem Stuhl zurücklehnte. »Wenn sie ihn als Doppelagenten
angeheuert hätten, hätte er sich meiner Meinung nach schon vor Jahren gemeldet. Er wäre ein weiterer Faden in dem Netz gewesen, das sie für uns gesponnen haben. Stattdessen ist er einfach verschwunden.«
»Er ist also seit zehn Jahren untergetaucht?«
»Bis letzte Woche. Da hat in Peking ein Antragsteller für ein Visum einen Brief mit den richtigen Codes abgegeben. Erstaunlich, aber wahr, erkannten die Konsulatsmitarbeiter, worum es sich handelte, und leiteten den Brief weiter an unseren Stationsleiter. Cao ersucht um ein Treffen. Er sagt, und ich zitiere wörtlich, dass er ›einen Führungsoffizier bevorzugt, der noch nie in Ostasien gearbeitet hat‹. Dagegen ist nichts einzuwenden.«
Shafer sprang auf. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, George. Und, nur für das Protokoll, sage ich es mit aller Deutlichkeit: Die Sache stinkt.«
»Worauf will er hinaus?«, erkundigte sich Wells.
»Er will, dass Sie hinübergehen und den Kontakt zu diesem General herstellen.« Tyson nickte.
»Warum schicken Sie nicht jemanden, der erst vor zwei Jahren die Ausbildung beendet hat? Jemanden, der in ihren Akten nicht vorkommt?«, fragte Wells.
»Derzeit wissen wir nicht, wer in ihren Akten ist«, sagte Tyson. »Wie Ellis sagte, haben die Chinesen kein Interesse an Bin Laden. Was Sie am Times Square geleistet haben, war aus ihrer Sicht nur eine Nebensache. Außerdem könnte die Sache schwierig werden, und Sie haben bereits bewiesen, dass Sie damit klarkommen. Außerdem soll Cao wissen, dass wir ihn hoch genug schätzen, um eine wichtige Person zu schicken. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, fallen Sie genau in diese Kategorie.«
»Gestatten Sie mir, noch einen weiteren Grund hinzuzufügen«, sagte Shafer. »Vinny Duto kann Sie nicht ausstehen und hätte nichts dagegen, wenn Sie den Rest Ihres Lebens in einem chinesischen Gefängnis verbrächten. Dies ist seine große Chance, Sie loszuwerden. Wenn es funktioniert, großartig. Wenn Sie die Sache vermasseln, zum Teufel mit Ihnen.« Shafer sah zu Tyson hinüber. »Et tu, Georgie? Bringt es Sie immer noch in Verlegenheit, dass Sie letztes Jahr auf der falschen Seite standen? Oder suchen Sie bloß nach neuen, aufregenden Methoden, um Vinny in den Hintern zu kriechen?«
»Das ist Unsinn, Ellis. Die Entscheidung liegt bei John. Wenn er nicht gehen will, wird ihm das auch niemand übel nehmen …«
»Ich bin noch nicht fertig, George.« Shafer wandte sich Wells zu. »Er weiß, dass Sie zu starrköpfig sind, um diese Sache abzulehnen, selbst wenn wir Sie nicht retten können, falls es doch eine Falle ist. Das wissen Sie, John. Möglicherweise werden Sie erst gar nicht inhaftiert. So wie die Dinge derzeit liegen, erschießt man Sie vielleicht gleich.«
Tyson stemmte sich aus dem Stuhl hoch. »Ellis, die Volksbefreiungsarmee hat keinen Grund, um zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen so komplizierten Plan auszuhecken. Sie machen sich vielmehr Sorgen, ob wir Schanghai bombardieren werden. Ich halte die Kontaktaufnahme für echt, und ich will, dass John geht, weil er unsere beste Chance ist, Cao zu erreichen. Aus keinem anderen Grund.«
»Ja, er ist wirklich eine großartige Chance angesichts der Tatsache, dass er nicht einmal Chinesisch spricht.« Shafer trat an den Tisch heran und beugte sich zu Tyson vor. Er sah wie ein Terrier aus, der sich auf eine Bulldogge stürzen wollte. »Was glauben Sie, wird uns Cao erzählen? Glauben
Sie, dass er uns
Weitere Kostenlose Bücher