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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Besuch in dieser Kirche konvertierte er heimlich. Er tauchte im Taufbecken unter und akzeptierte, dass er neugeboren worden war. Sein christlicher Name lautete Luke.
    Cao war in seinem Glauben nicht allein. Seit dem neunzehnten Jahrhundert waren protestantische und katholische Missionare in China aktiv gewesen, und Millionen von Christen lebten verstreut in ganz China. Sie wurden zwar toleriert, aber nicht gefördert. Die Regierung betrachtete das Christentum als Quelle für Schwierigkeiten und potenziellen Rivalen um die Macht. Soweit es die Männer von Zhongnanhai betraf, waren Kommunismus und Nationalismus die einzigen akzeptierten Glaubensrichtungen in der Volksrepublik. Cao hätte in der Volksbefreiungsarmee nie in hohe Ränge aufsteigen können, hätte er seinen Glauben offiziell bekannt gegeben. Auch Li wäre dann nicht zu ihm gestanden.
    Deshalb hatte Cao seinen Glauben verborgen. Im Abstand mehrerer Monate besuchte er ein Restaurant im Südosten Pekings, dessen Eigentümer Wei Po, ein untersetzter Mann Ende fünfzig, war. Wei war schon länger Christ als Cao, nämlich seit Mitte der Achtziger. Zumeist betete Cao jedoch zu Hause. Als hochrangiger Offizier musste er nicht
fürchten, dass seine Wohnung durchsucht würde. Dennoch verschloss er sein Kreuz und seine Bibel in einer Lade seines Schreibtisches. Jetzt nahm er sie heraus, strich mit den Fingern über das Kreuz und versuchte, eine Lösung für das Dilemma zu finden, in dem er steckte.
    Cao war fassungslos gewesen, als ihm Li sagte, dass der chinesische Geheimdienst die Nachricht eines Verräters an die amerikanische Botschaft abgefangen hatte. Bis zu diesem Augenblick konnte er sich nicht vorstellen, dass die Amerikaner so korrupt waren. Das Treffen, um das er gebeten hatte, sollte in wenigen Stunden ganz in der Nähe stattfinden. Er musste davon ausgehen, dass Lis Männer den Ort überwachen würden. Der interne Sicherheitsdienst der Armee verfolgte jeden Amerikaner, der in der letzten Woche nach Peking gekommen war, und vor allem jeden, der allein reiste und um ein Express-Visum angesucht hatte. In ganz Peking entsprachen nur etwa fünfundvierzig Personen diesem Profil, wie Cao wusste. Selbstverständlich hätte sich die CIA auch an einen anderen Geheimdienst wenden können, aber Cao vermutete, dass die Amerikaner bei einer derart sensiblen Mission keine Risiken eingehen würden. Nein, wer auch immer auftauchen würde, wäre Amerikaner und stünde unter Überwachung.
    Wenn Cao jedoch nicht auftauchte, würde er seine einzige Chance zunichtemachen, um Kontakt zu schließen. Die Amerikaner konnten ihn nicht erreichen. Und wenn nun auch die Botschaft unterwandert war, blieb auch ihm keine Möglichkeit, eine Nachricht an sie weiterzuleiten. Nach einem Jahrzehnt im Untergrund besaß er keine aktiven toten Briefkästen mehr und auch keine Signalstellen. Aus diesem Grund war er gezwungen gewesen, seine codierte Nachricht direkt an die Botschaft zu schicken.

    Cao konnte natürlich versuchen, in die amerikanische Botschaft zu gelangen und um Asyl zu ersuchen. Aber Li hatte ebenfalls an diese Möglichkeit gedacht. Die chinesische Polizei hatte rund um das Gelände der Botschaft Aufstellung genommen und behauptete, dass ihre Absperrung notwendig sei, um die Amerikaner im Inneren »vor der Wut des chinesischen Volks zu schützen.«
    Doch selbst wenn es Cao gelänge, hineinzukommen, würde er damit seine Chance verspielen, Li zu stoppen. Es musste eine Möglichkeit geben, um Lis Einfluss auf den Ständigen Ausschuss zu zerschlagen, nur fehlte Cao bislang der rettende Einfall.
    Seit dem Vietnamkrieg betrachtete Cao Li als seinen engsten Freund. Er wusste, dass die Beziehung einseitig war. Li war groß, attraktiv und klug. Ein Bild von einem Offizier. Cao war klein, sein Bein nur ein Stumpf und er selbst eher ein Arbeitstier als ein Philosoph. Während sie gemeinsam durch die Ränge aufgestiegen waren, hatten andere Offiziere dieses Gespann als »großen und kleinen Bruder« bezeichnet, oder ihnen andere, weniger freundliche Namen gegeben.
    Cao war das immer einerlei. Er war stolz darauf gewesen, Li als seinen Freund zu bezeichnen. »Ein Mann sollte immer einen Freund wählen, der besser ist als er selbst«, lautete ein Sprichwort. Cao hatte nie vergessen, dass ihm Li in Vietnam das Leben gerettet hatte. Und im Gegensatz zu so vielen anderen Offizieren stahl Li auch nicht und nahm keine Bestechungsgelder an.
    Doch der Teufel kannte die Schwächen aller Menschen,

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