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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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dachte Cao. Und so wie geringere Männer dem Geld nachjagten, gelüstete es Li nach Macht. Dieser Hunger hatte ihn nun aufgefressen. Vielleicht hätte Cao versuchen
sollen, ihn früher aufzuhalten. Aber zunächst hatte er nicht verstanden, was Li plante. Später hatte er vermutet, dass Li damit unmöglich Erfolg haben könnte, weil ihn die anderen Mitglieder im Ständigen Ausschuss blockieren würden.
    Aber Li hatte ihnen allen das Gegenteil bewiesen. Er hatte die Iraner und Amerikaner ebenso manipuliert wie die Demonstranten, die sich in den breiten Avenues von Peking drängten. Die Konfrontation zwischen Peking und Washington war beinahe außer Kontrolle geraten. Die Liberalen in Zhongnanhai hätten gern den Rückzug angetreten, aber das konnten sie nicht, ohne das Gesicht zu verlieren, und vor allem nicht, nachdem der amerikanische Zerstörer den Fischkutter versenkt hatte. China musste Rache üben. Aber was auch immer Li dem Ausschuss gesagt hatte, Cao zweifelte daran, dass ein chinesischer Vergeltungsschlag die Konfrontation beenden würde. Die Amerikaner würden lediglich selbst Rache fordern. Im besten Fall würde monatelang eine Provokation auf die nächste folgen. Die Amerikaner würden Schanghai blockieren. China würde seine Dollarreserven auf den Markt werfen, oder ein paar Raketen auf Taiwan abfeuern. Schließlich wären beide Seiten diesen Scheinkrieg satt und würden sich an die Vereinten Nationen wenden als Schutzschirm für eine Abmachung.
    Und im schlimmsten Fall? Im schlimmsten Fall würden beide Seiten die Ernsthaftigkeit des Gegners falsch einschätzen. Die Angriffe würden an Vernichtungspotenzial zunehmen, bis mit atomaren Sprengköpfen geladene Raketen über den Pazifik fliegen würden. »Wie ein gläsernes Meer, mit Feuer gemengt«, hatte Johannes in der Offenbarung Kapitel fünfzehn geschrieben. Der Atomkrieg. Die höchste Sünde, dachte Cao. Wenn der Mensch beschloss, das Ende der Tage
heraufzubeschwören, während diese Entscheidung Gott allein gebührte.
    Selbst die Ermordung von Li – was Cao nie zustande bringen würde – würde die Krise nicht entschärfen. Andere innerhalb der Regierung würden den Kampf übernehmen, weil sie in dieser Konfrontation mit den USA eine Möglichkeit sahen, an die Macht zu gelangen, wie es Lis Vision war. Nur wenn es Cao gelänge, Li vollständig zu diskreditieren, könnte er die Uhr zurückdrehen.
    So hatte sich Cao in seiner Verzweiflung an seine alten Verbündeten innerhalb der CIA gewandt. Er erwartete nicht, dass sie eine Lösung wüssten, aber zumindest sollten sie verstehen, dass nicht alle in Zhongnanhai diese Konfrontation wünschten. Außerdem sollten sie genau erfahren, was mit dem Maulwurf geschehen war und mit Wen Shubai, dem chinesischen Verräter.
     
    Er hätte gern gewusst, ob er, wenn der Augenblick gekommen war, imstande sein würde, Li zu verraten, oder ob er letzten Endes die Nerven verlieren und schweigen würde. In den letzten zwei Wochen hatte ihn Dutzende Male derselbe Albtraum gequält. Er marschierte neben Li auf einer schlammigen vietnamesischen Straße, während Scharfschützen ihre Kompanie dezimierten. Die Schreie der Verwundeten hallten in Caos Kopf wider. Schritt für Schritt nähere er sich der Mine, von der er wusste, dass sie ihm das Bein abreißen würde. Er wollte die Richtung ändern, aber er konnte nicht. Als dann die Explosion kam, fühlte er keinen Schmerz. Er blickte an sich hinunter und sah, dass sein Körper unverletzt war. Stattdessen wand sich Li neben ihm hilflos auf der Erde. Sein Bein war ihm entzweigerissen worden. Li öffnete den Mund, um zu sprechen. Und obwohl
Cao immer aufwachte, ehe Li auch nur ein Wort sagen konnte, wusste er, dass ihn Li einen Judas nennen und ihn des höchsten Verrats beschuldigen wollte.
    Tatsächlich war er dann jede Nacht erleichtert, wenn er das verkrüppelte Bein berührte und herausfand, dass er Li nicht verraten hatte. Zumindest noch nicht.
    Er durfte nicht zulassen, dass ihn seine Freundschaft zu Li abhielt, das zu tun, was er tun musste. Er war nicht Judas, und Li … Li war nicht Jesus. Er musste sich konzentrieren, um herauszufinden, wie er sich mit dem amerikanischen Agenten treffen könnte, ohne sich selbst zu verraten. So schlug er die Bibel auf, schloss sie aber sogleich wieder verärgert. Die Antwort würde sich nicht darin finden.
    Dann sah er sich das Buch nochmals an.
    Vielleicht aber doch.
    Während ein Plan in seinem Kopf Gestalt annahm, legte Cao die Bibel

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