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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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vermutlich würde es ihnen nicht gelingen, vor dem Einschlag des Torpedos umzusteigen, und
selbst wenn sie es schafften, müssten sie Sung zurücklassen. Beck war dazu nicht bereit, auch wenn sie sein Verrat erst in diese gefährliche Lage gebracht hatte. Immerhin hatte er mehr gelitten als jeder andere von ihnen.
    Die Sekunden tickten unerbittlich weiter. 00:03:40 … 00:03:41 …
    »Distanz?«
    »Siebenhundertfünfzig Meter, und nähert sich.«
    Beck wünschte, sie könnten mehr tun, ein Fluchtmanöver durchführen, Ballast abwerfen, selbst einen Torpedo abfeuern. Oder Luftunterstützung anfordern, damit sie dieses verdammte U-Boot aus dem Wasser holte. Stattdessen blieb ihnen nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich zu fahren und zu hoffen.
    00:05:56 … »Distanz?«
    »Dreihundertfünfzig Meter. Er hängt immer noch an uns.«
    »Wird er langsamer?« Der Torpedo würde nicht plötzlich anhalten, sondern allmählich an Geschwindigkeit verlieren, sobald sein Vorrat an Kerosin und Wasserstoffperoxid aufgebraucht wären, die ihn antrieben.
    »Noch nicht.« Kang drehte den Schirm seiner Dolphins-Mütze in den Nacken. »Es ist Zeit, die letzten Reserven zu mobilisieren.«
    00:07:03 …
    »Distanz?«
    »Weniger als zweihundert … jetzt einhundertfünfzig Meter«, antwortete Kang ruhig. »Warte … er wird langsamer.« Hoffnung schwang in seiner Stimme mit. »Er hat jetzt achtunddreißig Knoten. Siebenunddreißig.« Die Hoffnung schwand. »Er kommt immer noch näher. Jetzt auf einhundert Meter.«

    Dennoch holte der Torpedo jetzt kaum noch gegenüber dem Schnellboot auf – und er hatte schon fast die Grenze seines Wirkungsradius erreicht. Wenn es ihnen gelang, ihm noch eine weitere Minute vorauszubleiben, könnten sie freikommen.
    »Fünfundsechzig Meter … Sechzig … aber er hat wieder zwei Knoten verloren. Jetzt ist er auf fünfunddreißig. Er holt kaum noch auf. Fünfzig Meter.«
    Mittlerweile konnte Beck schon das Kielwasser des Torpedos sehen, der durch die flachen Wellen schnitt, auf der Jagd nach ihnen, um sie zu zerstören. Er war bloß ein hirnloses Stück Stahl, aber Beck hasste ihn mehr, als er je etwas anderes gehasst hatte.
    »Nur noch vierzig Meter«, sagte Kang. Dann hob sich seine Stimme. »Er ist auf dreiunddreißig Konten zurückgefallen.« Bei dreiunddreißig Knoten kam ihnen der Torpedo nicht mehr näher.
    »Gut so«, sagte Beck zu dem Ding, das sie verfolgte. »Stirb! Fahr zur Hölle! Wir schaffen es!«
    In der Aufregung hatten weder Beck noch Kang die rote Warnlampe bemerkt, die auf dem Armaturenbrett aufgeflammt war. »Öl!«, brüllte Choe. »Öl!«
    »Was?«
    Choe deutete auf das Licht der Öldruckwarnlampe für den Motor. Sie hatten das beschädigte Mercury-Schnellboot zu lange hart rangekommen. Von Minute zu Minute hatten sie mehr Öl verloren. Das Öl war wie Blut ins Meer getropft, bis keines mehr in der Maschine war, und …
    Mit einem lauten dumpfen Schlag hörte der Motor zu laufen auf, sodass das Schnellboot keine Schubkraft mehr hatte. Und keine Schubkraft bedeutete, dass das Boot wie ein Papierschiff trieb. Nun wurde es nur noch vom
Schwung vorwärtsgetragen. Aber der Torpedo hatte sie nicht vergessen.
    Und während sich Beck noch alles zusammenreimte, schlug der Alligator-Torpedo bereits in den Kiel des Phantom-Schnellboots ein. Der Zündstift des Torpedos wurde zurückgeschlagen, Strom schoss in die Zündkappe und entzündete die Ladung. Einen Sekundenbruchteil später explodierte der Sprengkopf des Torpedos und zerfetzte das Boot mit dreihundert Kilo Sprengstoff.
    Die Russen hatten die Alligator-Torpedos so entworfen, dass sie Zerstörer und Kreuzer versenken konnten, also große Schiffe mit einem starken Stahlrumpf. Das Phantom-Schnellboot hatte keine Chance.
    Die Explosion schleuderte das Schnellboot sieben Meter in die Luft, während die Druckwelle in einem Sekundenbruchteil durch die Kabine fegte und die vier Männer in der Kabine in unkenntliche Stücke riss. Ihnen blieb keine Zeit für letzte Worte oder auch nur letzte Gedanken. Nichts als ein gleißender Schmerz, gefolgt vom großen Unbekannten. Als der zerstörte Rumpf des Schnellboots wieder auf dem Wasser aufschlug, waren sie bereits tot.
    Das Boot selbst hielt sich kaum länger. Es brannte noch neunzig Sekunden lang wie ein treibender Scheiterhaufen, der in der Nacht meilenweit zu sehen war. Dann drang Wasser in den Rumpf ein und zog es mit der nur noch aus Leichen bestehenden Mannschaft auf den Meeresboden

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