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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Gegenzug hatte Ahmadinedschad angeboten, China als seinen bevorzugten Partner für die Öl- und Erdgasentwicklung zu wählen und China, im Fall einer weltweiten Ölknappheit, als erstem Land Zugang zu seinem Rohöl zu gewähren.
    Li hoffte, dass er sich seine Freude angesichts dieses Angebots nicht hatte anmerken lassen. Eine Allianz zwischen
China und dem Iran würde eine gewaltige Verschiebung in der Weltpolitik bedeuten. Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Kriegs würden sich zwei große Nationen zusammenschließen und offen den USA trotzen.
    Selbstverständlich willigte Li ein. Die Zustimmung des Ständigen Ausschusses sei nur eine Formalität, erklärte er. Und warum sollten die Iraner an seinem Wort zweifeln? Er hatte ihnen guten Grund zu der Annahme gegeben, dass er die USA ebenso abgrundtief hasste wie sie.
    Li wusste, dass er mit dieser Allianz ein Risiko einging. Er traute den Iranern nicht vollständig. Allerdings benötigte er ihre Hilfe, und zwar jetzt. Er steuerte China auf Kollisionskurs mit den USA. Ohne die Unterstützung des Irans würde sein Plan nicht gelingen. Und dieser Plan war tatsächlich sein Plan, und nur seiner allein. Die anderen acht Mitglieder des Politbüro-Ausschusses wussten nicht, was er tat. Wüssten sie es, hätten sie ihn keinesfalls unterstützt.
    Li glaubte, guten Grund zu haben, um diesen Weg einzuschlagen. Eines Tages würde die ganze Wahrheit ans Tageslicht kommen, und dann würde die Welt seine Taten beurteilen. Dann war er vermutlich bereits tot, aber noch lange nicht vergessen. Niemals vergessen. Inzwischen musste er seinen Plan jedoch noch geheim halten. Denn wenn der Ständige Ausschuss erführe, was er genau beabsichtigte, wäre seine Zukunft kurz und freudlos.
     
    Li drehte seinen Stuhl zu Cao Se. Technisch betrachtet, war Cao nur der siebthöchste Offizier der Volksbefreiungsarmee. In Wirklichkeit stand er Li jedoch näher als jeder andere. Li und Cao hatten 1979 gemeinsam im dreiwöchigen chinesischen Krieg in Vietnam gedient. Während Li die Kämpfe unversehrt überstand, hatte Cao eine Mine das linke Bein
unterhalb des Knies abgerissen. Mitunter fragte sich Li, ob Cao dazu bestimmt war, das Unglück für beide auf sich zu nehmen. Vielleicht hatte er in einem früheren Leben Cao gedient, und die Rollen waren jetzt nur vertauscht. Während Li groß gewachsen und attraktiv war, war Cao klein und sein Gesicht durch Pockennarben entstellt. Nachdem seine Frau 1986 in einem Krankenhaus in Schanghai im Kindbett gestorben war, hatte er nicht wieder geheiratet.
    Vor ein paar Jahren hatte Li zufällig gesehen, wie ihn Cao mit feuchten Augen angestarrt hatte, in denen etwas wie Liebe lag. Der Blick war nicht sexueller Natur gewesen, sondern enthielt so etwas wie jene Zuneigung, mit der ein Kind seinen in der Ferne weilenden Vater überschüttet. Mitunter fragte sich Li, ob ihm ein unabhängiger Berater bessere Dienste geleistet hätte.
    Obwohl Cao mehr über Lis Pläne wusste als jede andere Person, hatte Li auch Cao nicht gesagt, was genau er beabsichtigte. Sosehr er Cao vertraute, er durfte nicht das geringste Risiko eingehen. Noch nicht.
    »General.« Cao zeichnete mit begeisterter Aufmerksamkeit etwas in seinen Spiralblock. Seine Lippen waren gespitzt und sein Gesicht gespannt. Beim Klang von Lis Stimme klappte er augenblicklich den Block zu.
    »Haben Sie Geheimnisse vor mir, Cao?«
    »Sie wissen doch, dass ich keine Geheimnisse habe.«
    »Dann zeigen Sie her.« Li streckte die Hand nach dem Notizblock aus.
    »Das hat nichts zu bedeuten, General.« Dennoch gab ihm Cao den Block.
    Die einzelnen Seiten des Blocks waren voll von Entwürfen für Gebäude, die mit dicken Tintenstrichen gezeichnet waren: Wolkenkratzer, Highways und Apartmentkomplexe.
Lange fließende Striche, die die Bewegung und Lebendigkeit des Stadtlebens einfingen. Li erkannte den gewaltigen Jin Mao Tower aus Schanghai und das Empire State Building. Andere Gebäude schienen Caos eigene Entwürfe zu sein: schmale Türme, die sich bis zum Himmel streckten, und Stadien mit ausladenden Dächern.
    »Das sind hervorragende Zeichnungen, Cao.«
    »Eine Art und Weise, um die Zeit totzuschlagen.«
    »Nein, wirklich. Sie könnten Architekt sein. Sie haben Talent.« Bei diesen Worten lächelte Cao. »Warum haben Sie mir nichts davon erzählt?«
    »Ich habe nicht angenommen, dass es Sie interessiert, General.«
    Li gab ihm den Block zurück. Welche anderen Geheimnisse hast du all diese Jahre noch vor mir verborgen,

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