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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Jahre hatte er die Klappe gehalten. Das war nicht immer einfach gewesen, vor allem nicht im Nexus Gold Club, nachdem er zu viel Scotch getrunken hatte. Er tröstete sich mit dem Wissen, dass die Stripperinnen ihm ohnehin nicht glaubten. Man konnte sich die Situation leicht vorstellen: »Soll ich noch mal für dich tanzen?«, würde Candy, oder wer sich auch immer in jener Nacht um ihn kümmerte, fragen, nachdem sie seinen Zwanzigdollarschein in ihr Strumpfband gesteckt hatte. Dann würde sie zu einem grässlich vorhersagbaren Lied ein paar Tanzbewegungen
vollführen, wobei sie nicht einmal vortäuschen würde, an ihm interessiert zu sein: Don’t you wish your girlfriend was a freak like me? Don’tcha, don’tcha?
    »Hey, Candy, hast du dich nie gefragt, wo ich arbeite?«
    »Nicht wirklich.« Pause, während sie herausfinden würde, dass er wollte, dass sie ihn fragte. »Wo denn?«
    »Drüben in Langley.«
    Ein ehrlich verwunderter Blick von Candy. »In Langley? Im Krankenhaus?«
    Er würde sich geschmeichelt fühlen. »Sehe ich wie ein Arzt aus?«
    »Nein, nicht wirklich.« Mittlerweile hätte sie das Gespräch als Vorwand genützt, um zu tanzen aufzuhören.
    »In Langley. Du weißt schon, bei der CIA.«
    »Du arbeitest für die CIA? Das ist doch nur ein Scherz, richtig?« Sie würde sich vorbeugen und ihm selbst so betrunken in die Augen sehen, dass sie in ihm nur einen Verlierer mittleren Alters erkennen würde.
    »Nein. Ich meine es ernst.«
    »Ernst, wirklich?« Erst würde sie ein breites Stripperinnengrinsen aufsetzen und dann mit dem Finger auf ihn deuten, als wäre er eine Pistole. Sie würde ihm die Hand auf das Bein legen. »Na, dann zeig mir einmal deine Waffe, großer Junge.«
    »Willst du noch was wissen? Ich bin Doppelagent.«
    »Du machst es also auf beiden Seiten? Das dachte ich schon. Das ist cool. Ich habe einige Freunde, die …«
    »Nein!«
    »Tut mir leid, Schätzchen. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
    »Ich meinte doch nicht das. Ich spioniere für die chinesische Regierung. Verrat.«

    »Verrat? Was ist das?«
    Und dann würde das Lied zu Ende sein.
    Ach, vergiss es. Eines Tages würde er sich zur Ruhe setzen, Janice wäre bereits an Zirrhose gestorben, und er würde in einem Land leben, das keinen Auslieferungsvertrag mit den USA hatte. Er würde seine Memoiren schreiben und alle Namen nennen, an die er sich erinnern konnte. Bis dann würde er die Klappe halten. Er schloss die Augen und stellte sich ein paar Corvettes vor, eine kleine Flotte schimmernder Cabrios, bis ihn schließlich der Schlaf übermannte.

11
    Die Rotoren des Black Hawk begannen sich zu drehen. Erst langsam, dann immer schneller und schneller. Im Ruhezustand sanken die achteinhalb Meter langen Rotorblätter unter ihrem eigenen Gewicht nach unten. Aber sobald sie beschleunigten, versteiften sie sich. Innerhalb von Sekunden verschwanden sie in einem unbarmherzigen Wirbel. Wells fühlte, wie er instinktiv den Kopf zurückzog, obwohl er fast zwanzig Meter von dem Hubschrauber entfernt stand. Diese Rotoren konnten einen Schädel in Brei verwandeln.
    Wells warf einen Blick auf die Uhr. 16:55. Sein Magen zog sich zusammen. In fünf Minuten sollten sie in der Luft sein. Dann verlangsamten sich die Rotoren wieder. Im Cockpit beugten sich die Piloten über das Instrumentenbrett des Black Hawk.
    Sobald die Rotorblätter schwankend zum Stillstand kamen, sprang der Leiter der Hubschrauberbesatzung auf die Rollbahn. Mit seinem grünen Fliegerhelm und der schwarzen Schutzbrille sah er wie eine Kreuzung zwischen einer Großschabe und einem Footballspieler aus. »Die Hydraulikwarnlampe leuchtet«, brüllte er. »Es wird ein paar Minuten dauern, bis wir das überprüft haben.« Danach kletterte er wieder in die Kabine.
    Jede Verspätung war schlecht, dachte Wells. Sie mussten
bald aufsteigen, um das Lager noch in der Dämmerung anzugreifen. Obwohl er unter der kugelsicheren Weste nur ein verblichenes grünes T-Shirt trug, lief ihm der Schweiß über die Brust. Er griff nach einer Wasserflasche aus der Kühlbox zu seinen Füßen und leerte sie in einem langen Zug.
    Rund um ihn hockten Männer in Kevlarwesten über topografischen Karten und prüften ihre Funkgeräte. Die A- und B-Kompanie des 3. Bataillons, insgesamt zwanzig Mann der Special Forces. Zwei Trupps der am besten ausgebildeten Kämpfer weltweit, kurz vor ihrem Aufbruch in den Hindukusch.
    Wells nahm seine Pistole aus dem Halfter und prüfte sie. Der Schlitten lief geschmeidig,

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