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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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dann vollständig auf. Aber Wells hatte genug gehört, um zu wissen, dass er auf der richtigen Spur war.
    Mit dem Stab in der Hand drang Wells langsam in die Dunkelheit vor. Wenn er sich jetzt beeilte, würde er nur sich selbst schaden. Entweder dieser Gang führte zu einem größeren Netzwerk von Tunneln, in diesem Fall würde er den Mann vor sich vermutlich nicht zu fassen bekommen, oder wenn er in einer Sackgasse endete, wartete sein Gegner auf ihn. In diesem Fall wäre Lautlosigkeit, und nicht Geschwindigkeit, sein bester Verbündeter.
    Inzwischen würde Wells die Stirnlampe ausgeschaltet lassen und hoffen, dass er Richtungswechsel des Tunnels erfühlen könnte, ohne sie zu sehen. Er würde auf seinen Gleichgewichtssinn vertrauen und versuchen, die Kurven des Tunnels auf dieselbe Weise zu bewältigen, wie er bei 200 km/h die I-95 unter seinem Motorrad bewältigte. Selbstverständlich
bestand die Möglichkeit, dass er in eine Spalte kroch. Aber wenn der Mann vor ihm eine Falle für ihn vorbereitete, müsste Wells ohnehin all seine Hoffnung auf Stille und Dunkelheit setzen.
    Der Gang bog nach rechts. Wells berührte mit dem Stab die Wände und die Decke, um sicherzugehen, dass er nicht irgendwo abbog, und kroch dann weiter vorwärts. Einige Meter weiter verengte sich der Tunnel und fiel steil ab. Wells steckte sein Messer seitlich in den Mund, sodass er mit den Zähnen den Griff umklammerte, und kroch Zentimeter für Zentimeter weiter. Jetzt war er froh, dass er sich für die dünne kugelsichere Weste entschieden hatte. Eine Flak-Jacke wäre hier unangenehm eng gewesen. Der Durchgang hatte hier eine Breite von einem Meter zwanzig und war etwa ebenso hoch. Das war gerade weit genug, um notfalls umzukehren und zurückzukriechen. Aber wenn er noch enger wurde, würde ihm das bald nicht mehr gelingen. Hatte er irgendwo eine Abzweigung verpasst? Hatte er sich bereits verirrt?
    Wells griff nach seiner Stirnlampe – und zog erneut die Hand zurück. Die Decke und die Wände waren immer noch glatt. Dies bewies, dass sie über Jahre hinweg verwendet worden waren. Er musste darauf vertrauen, dass er immer noch auf dem richtigen Weg war. Wieder kroch er weiter. Noch nie zuvor war er an einem so dunklen Ort gewesen. Ohne Licht fabrizierten sich seine Augen ihre eigene Welt. Weiße Blitze und rote Streifen schossen wie Fische durch die Dunkelheit. Wells riskierte einen Blick auf seine Uhr, wobei er die Hand über das aufglühende Ziffernblatt hielt. 21:30. Seiner Schätzung nach war er bereits über eine Stunde in der Höhle, aber in Wirklichkeit waren es erst zwanzig Minuten.

    Das T-Shirt unter seiner kugelsicheren Weste war schon schweißnass, und auch über seine Nase lief eine ärgerliche Schweißspur. Nachdem er sie zweimal abgewischt hatte, gab er auf. Der brennende Schmerz in der rechten Schulter nahm beständig zu. Wells fragte sich, ob ihn die verwundete Schulter im Nahkampf im Stich lassen würde.
    Nach ein bis zwei Minuten hielt er jeweils an, um zu lauschen. Aber er hörte nichts außer dem fernen Rinnen des Wassers. Dann wurde ihm auch dies genommen. Nun umgaben ihn nur noch Stille und Dunkelheit.
    Kriechen. Warten. Lauschen. Nichts.
    Kriechen. Warten. Lauschen. Nichts.
    Kriechen. Warten. Lauschen. Etwas. Ein Kratzen in der Ferne, als würde sich ein Mensch bewegen. Nach einigen Augenblicken verstummte das Geräusch. Wells kroch nun schneller weiter, achtete jedoch noch sorgsamer darauf, sich lautlos zu bewegen. Schließlich flachte der Tunnel ab. Als Wells erneut anhielt, bemerkte er, dass sich die Luft verändert hatte. Sie war nun irgendwie frischer. Das bedeutete, dass sich der Tunnel vor ihm zu einer Art Höhle erweiterte. Dort würde er seinen Gegner finden.
    Jetzt schob sich Wells selbstsicher weiter. Adrenalin durchströmte seinen Körper – ein natürlicher Rausch, stärker als jede Droge -, das ihn stärkte und seine Konzentration schärfte. Der brennende Schmerz in seiner Schulter war verschwunden. Es war wesentlich besser, Jäger zu sein als der Gejagte.
    Meter für Meter erweiterte sich der Tunnel. Wieder hörte er ein leises Kratzen. Er zog seine Makarov aus dem Halfter.
    Dann sah er Licht – etwa einhundert Meter vor sich, vielleicht auch weniger. Wells hob die Hand, um seine Augen
zu schützen, die sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Eine Taschenlampe leuchtete in den Tunnel hinein. Aufgrund der Krümmung hatte ihr Schein ihn aber nicht direkt erreicht. Wells legte sich flach auf den

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