John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
»Wie lange noch?«
Da Wells wieder bekleidet war, konnte Helmut ihm in die Augen sehen. »Ich weiß nicht genau. Eine Viertelstunde. Kommt auf den Verkehr in der Stadt an.«
»Wer fährt?«
»Bernhard.«
»Wer ist Bernhard?« Wells wusste, dass er fragen konnte, was er wollte - der Junge würde antworten.
»Mein Vater.«
Wells schüttelte den Kopf. Die Sache wurde immer absurder. Wieso ließ sich der Mann von seinem Sohn helfen? Das waren Amateure. Oder eine extrem zersplitterte Organisation, und Bernhard hatte niemanden, dem er sonst trauen konnte. »Du weißt vermutlich gar nicht, um was es geht.«
Helmut schüttelte den Kopf. »Er hat nur gesagt, ich soll Sie zum Wagen bringen und überprüfen, ob Sie verkabelt sind.«
»Und wenn ich es gewesen wäre?«
»Dann hätte ich an die Fahrerkabine geklopft.«
»Und dann?«
»Das weiß ich nicht. Er hat gesagt, es wäre ein Abenteuer, das ich für einen meiner Filme verwenden kann.«
»Du bist Filmemacher?«
»Ich will einer werden. Aber in Deutschland ist es echt
schwierig. Die großen Talente sind alle in den Staaten und das Geld auch. Sogar Berlin wäre besser, aber mein Vater …«
Wells’ Mitleid hielt sich in Grenzen. Er schnitt dem Jungen das Wort ab. »Die Waffe ist eine Attrappe, stimmt’s?«
»Ja, von einem Film, den ich gedreht habe, einem Kurzfilm. Damit habe ich beim Filmfest Hamburg einen Preis gewonnen. Nichts Großes, aber immerhin ein Anfang …«
Helmut brabbelte weiter und weiter. Vielleicht wollte er seine Verlegenheit oder seine Erregung überspielen. Vielleicht konnte er wie alle anderen Möchtegern-Filmgrößen einfach nicht den Mund halten, wenn er ein Publikum hatte. Zum Glück dauerte die Fahrt wirklich nur noch eine Viertelstunde.
Als sich die Heckklappe erneut öffnete, befanden sie sich in einem weitgehend leeren Lagerhaus, auf dessen Betonboden große Holzkisten verstreut standen. Ein Mann in mittleren Jahren sah zu ihnen hinauf. Er trug Lederhandschuhe und hielt eine Pistole, eine Glock, in der Hand. Die Waffe war echt.
Helmut riss die Augen auf, als er die Pistole sah. Er fragte etwas, aber der Mann wedelte abwehrend mit der Hand und blaffte ihn auf Deutsch an.
»Nein«, sagte Helmut, als Bernhard schwieg. Er trat vor, und für einen Augenblick überlegte Wells, ob er ihn als Schutzschild im Transporter behalten sollte, doch dann entschied er sich dagegen. Ihm war immer noch nicht klar, wie er am besten vorging, ob er Bernhard die Führung überlassen sollte.
Helmut sprang hinten aus dem Transporter und verschwand aus Wells’ Sichtbereich.
»Roland Albert«, sagte Bernhard.
»Ja.«
»Ich bin Bernhard«, stellte er sich auf Englisch vor. »Kann ich bitte Ihre Brieftasche sehen?« Diese Deutschen waren immer so verdammt höflich. »Und Ihren Pass?« Wells gab ihm auch den. Bernhard blätterte darin herum. Offenbar war er zufrieden mit dem, was er sah, denn er bedeutete Wells auszusteigen und steckte die Pistole in die Hose.
Ein paar Sekunden darauf erwachte der Transporter spuckend zum Leben und rollte davon. Wells, Bernhard und ein Mercedes, den der Transporter verdeckt hatte, blieben zurück.
Wells wusste plötzlich, was er zu tun hatte. Als der Transporter davonrumpelte, trat er vor und rammte Bernhard wortlos die rechte Faust in den Bauch.
Der stöhnte leise und tastete nach seiner Glock. Dass er sie nicht fand, lag daran, dass Wells die Pistole in der linken Hand hielt.
Wells schlug erneut zu. Bernhard krümmte sich. Der Mann war fast sechzig und kein großer Kämpfer.
»Was sollte der Scheiß, Mann?« Wells fluchte nur selten, aber Roland Albert war da anders. »Du kannst froh sein, wenn ich euch beide nicht umbringe, dich und deine Tunte von einem Sohn. Wenn wir nicht einen gemeinsamen Freund hätten, wärst du erledigt.«
Bernhard wollte antworten, brachte aber nur ein pfeifendes asthmatisches Husten zustande.
»Amateure. Was seid ihr eigentlich für Dilettanten? Helmut mit seiner Spielzeugpistole.« Wells lachte. Es klang mehr wie ein verächtliches Schnauben. Das reichte, er wollte seine Rolle als Schurke nicht überziehen. »Ich
kann nur hoffen, dass deine Freunde mehr draufhaben als du. Kommen wir zur Sache. Du willst das Zeug? Bist du ganz sicher?«
Bernhard schleppte sich mit kurzen, mühsamen Schritten zum Mercedes und stützte sich auf die Kofferraumklappe. »Ja.«
»Wie viel?«
»Zweihundert Kilo.«
»Bis wann?«
»In einer Woche.«
»Du tickst wohl nicht richtig. Zweihundert Kilo
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