John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Atomwaffenlager erfolgreich seit über fünfzig Jahren, fast so lange wie die Vereinigten Staaten.
Der Kreml wurde noch misstrauischer, als die Amerikaner auf Zugang zu den Waffen drängten. Die Generäle
im Verteidigungsministerium und bei Rosatom fragten offen, ob die USA Russland jeglicher Verteidigungsmöglichkeit berauben wollten, indem sie die russischen Gefechtsköpfe und Raketen unbrauchbar machten. Von 1998 bis 2003 hatten die Vereinigten Staaten mehrere hundert Millionen Dollar in den Bau eines sicheren Lagers für Plutonium aus demontierten Atomwaffen im Werk Majak investiert. Das Lager hatte drei Meter dicke Betonwände und konnte fünfundzwanzig Tonnen Plutonium aufnehmen. Es war in jeder Hinsicht das sicherste Lager für nukleares Material in ganz Russland - und stand praktisch leer. Die russische Regierung hatte nicht die geringste Absicht, Atomwaffen in einem Gebäude aufzubewahren, das amerikanische Ingenieure entworfen hatten. Purdy konnte dem Kreml sein Misstrauen nicht verdenken. Umgekehrt hätten die USA wohl kaum ihre gesamten Atomwaffen in einem von den Russen gebauten Lager deponiert. Ihr könnt uns vertrauen, Jungs. Wir stehen alle auf derselben Seite. Ehrlich.
Und jetzt sollte Purdy wieder in diesem Wespennest von Nationalstolz und nationaler Sicherheit herumstochern. Und wozu? Als er vor zwei Tagen Anweisung bekommen hatte, diese Besprechung einzuberufen, hatte er dem Außenminister gesagt, das sei reine Zeitverschwendung.
Aber er war überstimmt worden. Langley hatte irgendwas herausgefunden, das das Weiße Haus alarmiert hatte, und deswegen musste Purdy den Kopf hinhalten, den ihm die Russen umgehend abschlagen würden. Nein. Diesmal würde er sich nichts gefallen lassen. Ganz bestimmt nicht. Seufzend blätterte er in der dünnen Mappe, die er mitgenommen hatte, während der Cadillac durch
das Tor im Dreifaltigkeitsturm am oberen Ende der Auffahrt rollte und in den eigentlichen Kreml einfuhr.
So sehr er seinen Job auch hasste, dieser Anblick faszinierte Purdy immer wieder. Im Gegensatz zum Weißen Haus bestand der Kreml nicht aus einem einzigen Gebäude. Es handelte sich um einen Komplex aus über einem Dutzend massiver Bauwerke, der mitten in Moskau, von einer Befestigungsmauer und Türmen umgeben, auf einer Anhöhe über der Moskwa lag.
Südlich des Dreifaltigkeitsturms lagen die für Touristen zugänglichen Museen und Kirchen. Nördlich davon, in Richtung des Roten Platzes, befanden sich die für die Öffentlichkeit gesperrten Regierungsbüros. Die beiden Seiten waren nicht durch Schilder gekennzeichnet, aber Touristen, die sich in Richtung der Gebäude im Norden verirrten, wurden umgehend in den öffentlichen Bereich zurückgeschickt.
Die riesigen, massiven Gebäude zu beiden Seiten waren mit Schnee bedeckt, der in Moskau fünf Monate im Jahr lag. Dieser Komplex hatte die Invasionen von Hitler und Napoleon und die Schreckensherrschaft Stalins und der Zaren überlebt. Manche Gebäude im Inneren der Festung waren fünfhundert Jahre alt, stummes Zeugnis russischen Durchhaltevermögens. Das Land hatte fremde Angreifer, Gulags und Schauprozesse überstanden und endlose Vormittage wie diesen hier, wolkenverhangen und bitterkalt, mit Schnee, der vom grauen Himmel rieselte. Irgendwo hinter den Wolken musste die Sonne scheinen, zumindest wollte Purdy das gern glauben.
Der Cadillac fuhr weiter, am langgestreckten Arsenal entlang, in dem die Elitesoldaten untergebracht waren, die den Kreml bewachten, auf die gelben Mauern des
Senats zu, des gewaltigen dreieckigen Gebäudes, in dem der russische Präsident seine Büros hatte. Purdy raffte seine Papiere zusammen und fragte sich halb im Ernst, ob er einen schnellen Umweg machen sollte, um in der Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale vor dem heiligen Georg eine Kerze anzuzünden.
Sein Traumjob. Von wegen.
Die Russen hatten Purdy einen Termin bei Anatolij Sabrow versprochen, dem obersten Militärberater von Präsident Medwedew. In dem fensterlosen Raum im zweiten Stock des Senatsgebäudes erwartete ihn jedoch Sascha Dawidenko, Sabrows Stellvertreter. Dawidenko war groß und durchtrainiert. Er steckte in einer makellosen grünen Uniform, die durchgehend mit Orden behängt war, die ihn vermutlich vor jeder Kugel geschützt hätten - falls er jemals wieder in die Nähe von Kampfhandlungen geraten sollte.
»General Dawidenko«, sagte Purdy. »Kommt Anatolij Sabrow noch?«
»Er musste zu einer dringenden Sitzung, aber ich kann Ihnen versichern,
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