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John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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hatten. Walter Mark Purdy. Als er seine Berufung erhielt, war er so aufgeregt gewesen, dass er zwei Tage lang nicht schlafen konnte, bis er sich schließlich von seinem Arzt Ambien verschreiben ließ.
    Sei vorsichtig, was du dir wünschst. Inzwischen tat es Purdy leid, dass er den Job bekommen hatte. Er fühlte sich wie ein Hund, der fünfundzwanzig Jahre hinter einem Auto hergelaufen war, es endlich eingeholt hatte … um dann festzustellen, dass er nur den Stoßfänger zwischen die Zähne bekommen hatte.
    Die Russen waren schon immer schwierig gewesen, jetzt waren sie schlicht unmöglich. An ihnen nagte immer noch die Empörung über die neunziger Jahre, als ganze Flugzeugladungen von wohlmeinenden Politikwissenschaftlern der amerikanischen Eliteuniversitäten und Wirtschaftsexperten der Weltbank nach Moskau gekommen waren, um ihnen zu erklären, wie dumm und arm sie waren und dass sie auf Washington und London hören sollten, wo man es besser wusste. In der Öffentlichkeit waren sie griesgrämig. Privat waren sie noch schlimmer. Ihr Verhalten gegenüber jedem unterhalb der Ministerebene war geradezu unverschämt.
    Purdy hatte mittlerweile erkannt, dass er der falsche Mann für diesen Posten war. Wer sich bei den Russen durchsetzen wollte, musste mit der Faust auf den Tisch
hauen, damit sie wussten, dass sie nicht nach Gutdünken schalten und walten konnten. Wenn nötig, musste man bei Besprechungen aufstehen und gehen. Aber Purdy war seiner Persönlichkeit und seiner Ausbildung nach ein Diplomat, kein Polterer. Er wusste, welche Last die Geschichte Russland auferlegt hatte, wie sich Zaren und Adlige jahrhundertelang gemästet hatten, während die Bauern verhungerten. Wie sich das Volk 1919 gegen seine Herren erhoben hatte, nur um erneut geknechtet zu werden.
    Er wollte nicht zu streng mit den harten Männern auf der anderen Seite des Tisches ins Gericht gehen. Sie sollten wissen, dass er alle Tolstoi-Museen besucht und jedes Wort gelesen hatte, das der Mann je geschrieben hatte. Genau wie bei Puschkin und Tschechow. Er wollte ihnen beweisen, dass er Russland liebte, dass er und damit das Land, das er vertrat, bereit waren für eine Beziehung, die sich auf gegenseitigem Respekt gründete.
    Nur scherten sich diese Leute keinen Deut darum.
    Er versuchte, seine Taktik zu ändern, härter zu werden, zu brüllen, wenn sie brüllten. Aber das lag ihm nicht. Nicht dass er Angst vor ihnen gehabt hätte, nicht im eigentlichen Sinne. Er konnte nur diese künstlich herbeigeführten Konfrontationen nicht ausstehen. Dabei wusste er, dass er ihre schlechtesten Eigenschaften förderte, wenn er sich als Mensch von ihnen schikanieren ließ, weil sie das glauben ließ, dass sie mit den Vereinigten Staaten ebenso umspringen konnten.
    Purdy war immer ein vernünftiger, umgänglicher, im Großen und Ganzen glücklicher Mensch gewesen, aber nach zwei Jahren als Botschafter fühlte er sich zunehmend deprimiert. Ein aus politischen Gründen ernannter
Silicon-Valley-Mogul, ein Milliardär mit einem Ego von der Größe seines Bankkontos, hätte die Vereinigten Staaten besser vertreten als er. Selbst wenn dieser Mogul kein Wort Russisch gesprochen hätte. Unglaublich, aber wahr. Solch ein Mensch hätte sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Wenn die anderen brüllten, hätte er zurückgebrüllt. Dann hätten die Russen eine oder auch ein Dutzend Wodkaflaschen hervorgeholt, beide Seiten hätten sich ordentlich volllaufen lassen und sich mit einer innigen Umarmung verabschiedet.
    Er hatte sein ganzes Leben lang für diesen Job gearbeitet, und jetzt, wo er ihn hatte, merkte er, dass er der falsche Mann dafür war. Es war ein kosmischer Scherz. Eine Ironie, die Tolstoi zu schätzen gewusst hätte. Na ja, vielleicht eher Tschechow. Tolstoi hatte nicht viel Sinn für Ironie gehabt.
    Und dann dieser Auftrag heute. Das konnte ja nicht gut ausgehen. Die Russen mochten es überhaupt nicht, wenn die Sicherheit ihres Atomwaffenarsenals infrage gestellt wurde. Die Probleme in den russischen Atomwaffendepots waren eines der Lieblingsthemen der Genies der Neunziger gewesen. Selbst damals hatte es den Generälen, die für Russlands strategische Waffen verantwortlich waren, nicht gefallen, dass ihnen jemand erzählen wollte, wie sie ihre Arbeit tun sollten. Sie empfanden es als Beleidigung, dass die Amerikaner Russland wie ein x-beliebiges Dritte-Welt-Land behandelten, dem man keine nuklearen Waffen anvertrauen konnte. Immerhin hütete Russland seine

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