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John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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wackligen Holzstuhl. Auf dem Tisch vor ihm stand ein halbvoller Teller mit Hummus und Backhähnchen. Jussuf hatte sich auf dem Teppich unter dem Küchentisch zusammengerollt.
    Als er hereinkam, schreckten die beiden hoch.
    »Geschafft«, sagte Nasiji.
    »Was hast du geschafft?« Baschir fuhr sich verschlafen mit der Hand über den Mund.
    »Ich habe die Konstruktion.«
    »Aber … gestern Abend hast du doch gesagt, es geht nicht«, wandte Jussuf ein.
    »Ich kann nicht garantieren, dass es funktioniert. Wir werden sehen.« Wieder und wieder war Nasiji die Zahlen
durchgegangen, hatte versucht zu berechnen, ob die zweiunddreißig Kilo, die sie hatten, für eine Kettenreaktion in einem Stahlreflektor reichten. Aber die Gleichungen erfordern Detailkenntnisse der subatomaren Eigenschaften von Eisen und Uran, die ihm nicht zur Verfügung standen, und die Berechnungen wurden ungenau. Vierzig Kilo waren mit Sicherheit genug, zwanzig mit Sicherheit zu wenig. Aber zweiunddreißig? Das würden sie erst wissen, wenn sie die Bombe zündeten.

24
    Ein massiver, wie ein Löwe geformter Bronzeklopfer saß mitten auf Bernhard Kygelis Haustür. Wells ließ ihn auf das schwere schwarze Holz niedersausen, holte noch einmal aus und wiederholte den Vorgang.
    »Hallo!«, brüllte er. »Jemand zu Hause? Hier ist Roland.«
    »Ja?«, fragte eine Frauenstimme. Dann folgten ein paar Fragen auf Deutsch. Ein von einem Kopftuch eingerahmtes Frauengesicht spähte durch die Scheibe in der Tür.
    Wells hatte sich dem Anlass entsprechend ausstaffiert: mit Aktentasche, schwarzen Handschuhen und einem neuen grauen Anzug, den er in einem eleganten Kaufhaus in der Innenstadt erstanden hatte.
    » Sprechen nicht Deutsch! Außerdem friere ich mir hier den Arsch ab.« Das war kaum übertrieben. Seit Tagen herrschte in Hamburg grauenhaftes Wetter. Ein unerbittlicher Wind trieb Regen und Schneeregen quer durch die Straßen. Wells klopfte noch einmal energisch. »Dumme Kuh. Ist Helmut zu Hause?«
    »Helmut?« Die Tür öffnete sich einen Spalt und gab den Blick auf eine Frau mittleren Alters frei. Sie trug einen schwarzen, auf Figur geschnittenen Blazer mit Goldstickerei. Züchtig, aber elegant.
    Wells stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür und
stieß sie auf. Dabei erwischte er mit der Kante die Frau, die ins Stolpern geriet und auf ein Knie fiel. Wells trat ein und schloss die Tür hinter sich.
    Die Frau brüllte ihn auf Deutsch an, schien aber weniger verängstigt als wütend zu sein. Er nahm sie mit der Hand am Ellbogen, half ihr auf und legte den Finger auf die Lippen.
    »Pst! Ich tu dir ja nichts.« Wells hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte, falls sich die Frau nicht beruhigte, doch sie verstummte. Sie schien verärgert, war sich aber offenbar nicht ganz sicher, ob er ein Recht hatte, das Haus zu betreten.
    »Wo ist Helmut? Oben?« Wells deutete zur Treppe.
    »Helmut …« Sie zeigte auf die Tür.
    »Was ist mit Bernhard?«
    »Bernhard …« Wieder die Tür.
    »Gut«, sagte Wells. »Und jetzt sei ein braves Mädchen und hol mir ein Hefeweizen.« Er hob eine imaginäre Flasche an die Lippen. Die Rolle des Roland Albert, des mit Beryllium handelnden rhodesischen Söldners, fiel ihm nur allzu leicht. Ein Psychologe oder Exley hätte vermutlich viel Spaß dabei gehabt, ihn zu beobachten, wie er diese Frau skrupellos herumkommandierte. Böse Jungen kommen überall hin.
    »Hefeweizen? Bier? Nein!«
    »Stimmt, ihr trinkt ja nichts. Auch gut. Dann mache ich es mir hier gemütlich.« Wells griff in seine Anzugtasche und fischte die Handschellen heraus, die er mitgebracht hatte. Dann überlegte er es sich anders. »Warum führst du mich nicht rum? Sonst muss ich dich noch an einen Heizkörper fesseln oder so.« Wells gab ihr durch Zeichen zu verstehen, dass er sich das Haus anschauen wollte.

    Sie schien ihn zu verstehen und ging neben ihm her, während er sich im Erdgeschoss umsah. Die Situation nahm sie mit einem Gleichmut hin, den eine Amerikanerin oder Europäerin nur schwerlich aufgebracht hätte. Diese Passivität kannte Wells von den Frauen in Afghanistan. Soweit er das beurteilen konnte, beruhte diese Einstellung zum einen auf Schicksalsergebenheit und zum anderen auf der Gewissheit, dass es sie nichts anging, was Wells von ihrem Mann wollte. Das war Männersache. Eine selbstbewusste Frau aus einem westlichen Land wäre wohl kaum zu diesem Schluss gekommen.
    Die Einrichtung war teuer: persische Teppiche, holzvertäfelte Wände, Ledersofas

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