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John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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Sie waren weder Präsidenten noch Könige noch Premierminister. Sie waren keine Imame, deren Namen gläubigen Muslimen auf dem gesamten Erdball bekannt waren. Sie waren nicht einmal berühmte Generäle. Nur ein paar Männer, die ein paar kostbare Kilos hoch angereichertes Uran in die Finger bekommen hatten. Bald würden sie es einsetzen. Es würde keine Kriegserklärung geben, keine Warnung, vor dem, was passieren würde. Und obwohl sie nur diese eine Bombe hatten, hoffte Nasiji damit einen großen Konflikt auszulösen, das wusste Baschir.
    Andererseits … Waren sie etwa höheren Standards verpflichtet als die Vereinigten Staaten, die die Zivilisten von Hiroshima und Nagasaki vor der Vernichtung ihrer Städte nicht gewarnt hatten? Und musste Amerika nicht für seine Verbrechen bezahlen? Sie führen gegen uns Krieg. Sie
töten uns einen nach dem anderen, manchmal auch zu Hunderten. Liegen wir dadurch nicht mit ihnen im Krieg? Dieser Kampf hatte schon lange vor der Invasion im Irak begonnen. Seit dem ersten Kreuzzug hatten die Christen versucht, den Islam zu vernichten.
    Baschir wusste, dass er sich im Kreis drehte. Seit drei Tagen rang er mit sich. In seinem Kopf tauchten immer wieder dieselben Wörter und Namen auf. Hiroshima. Abu Ghraib. Strahlenkrankheit. Kreuzritter. Leukämie. Hiroshima … Und damit begann es wieder von vorn, nur dass diesmal alles dafür zu sprechen schien, die Amerikaner am eigenen Leibe erfahren zu lassen, was sie anderen angetan hatten.
    Baschir wünschte sich sehnsüchtig, mit den Freunden seines Onkels Ayman von der Moslembruderschaft sprechen zu können. Das waren weise Männer, aufrichtig und fromm. Sie neigten nicht zu Exzessen und besaßen eine tiefe Kenntnis des Koran und der Worte des Propheten. Hätte auch nur einer von ihnen diese Mission gutgeheißen, Baschir wäre beruhigt gewesen. Aber er konnte sie nicht fragen. Und Nasiji und Jussuf konnte er schon gar nicht von seinen Zweifeln erzählen. Baschir kannte die Geschichte von Nasijis Familie nur in groben Zügen, doch er wusste, dass sie alle Vorbehalte hinweggewischt hatte, die Nasiji einst gehabt haben mochte. Und was Jussuf anging … Jussuf war der perfekte heilige Krieger. Er würde töten, bis er selbst getötet wurde, und war davon überzeugt, dass er zur Belohnung ins Paradies eingehen würde.
    Nein, mit Nasiji und Jussuf zu sprechen wäre unklug gewesen. Blieb Thalia, aber die war noch ein Kind. Er musste das allein entscheiden. In der Zwischenzeit hatte er keine Wahl - er musste weiter an der Bombe arbeiten.

    »Baschir!«, sagte Nasiji scharf. »Der Stahl war schon vor fünf Minuten fertig. Wie lange willst du noch im Topf rühren?«
    Baschir riss sich von Hiroshima los und konzentrierte sich auf den Ofen. Gedankenverloren hatte er mit einem Wolframkarbidstab den Stahl gerührt, um seine Konsistenz zu verbessern. Jetzt konnte er gegossen werden.
    »Bin schon fertig, Sayyid.«
    Baschir legte die Stange beiseite und nahm eine Zange aus Wolframkarbid. Damit griff er in den Ofen und schloss die Backen der Zange fest um den Topf. Hitzewellen schlugen durch Gesichtsschutz und Handschuhe.
    Nasiji legte eine zweite Zange um den Topf. »Vorsichtig, Doktor, dass nichts danebengeht. Einhundert Kilo von diesem Zeug können ganz schön wehtun.«
    »Ja«, sagte Baschir, dem die verbrannte Haut der Opfer von Hiroshima nicht aus dem Sinn ging. »Auf drei. Eins, zwei, drei.«
    Sie hoben den Topf an und gingen damit drei Schritte zu einer Kugelform aus hochreiner Keramik. In diese Form war eine zweite, kleinere Form eingepasst - die Aussparung für das Geschützrohr und den Uranpfropfen. Baschir hatte die Formen am Vortag im Vakuumofen gesintert, also aus einem Keramikpulver zusammengebacken.
    »Auf drei. Eins, zwei, drei.«
    Langsam gossen sie den Stahl in die Form. Es war ihr bisher vierter Gießvorgang. Als sie fertig waren, war die Form etwa halbvoll. Bis zum späten Nachmittag würde der Tamper fertig sein. Sobald er abgekühlt war, würde Baschir die beiden Teile des Kerns gießen - den schmalen Zylinder, der in den Tamper passte, und das größere, rohrförmige Teil, das so auf den Zylinder geschossen
werden sollte, dass sich beide zusammenfügten. Beide Formen waren relativ einfach, aber sie mussten genau passen. Bevor er den Kern aus Uran goss, würde er mit einem Stahlbarren einen Probelauf durchführen. Wenn die Teile der Stahlkernattrappe fertig waren, würden sie den Stahlzylinder in den Tamper und anschließend die

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