John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
eine Gummizelle sperren konnte, wo ihn die Agenten der CIA nach allen Regeln ihrer finsteren Kunst verhören konnten.
Die Aufgabe war kaum zu bewältigen, obwohl National Security Agency und Marine ihr oberste Priorität eingeräumt hatten. Allerdings war es genau die Art Problem, auf deren Lösung sich die Vereinigten Staaten verstanden,
ein technisches Problem, das sich mit harter Arbeit und Intelligenz lösen ließ. Diesmal mussten sie nicht die Herzen und Köpfe der Menschen in Bagdad und Kabul für sich gewinnen . Die Zentrale der NSA in Fort Meade und das Kommando der Atlantikflotte erteilten denselben Befehl: Findet diesen verfluchten Frachter. Und zwar bis gestern.
Fotos der Juno mit Konstruktionsdaten wie Höhe, Länge, Verdrängung und Form der Aufbauten gingen an alle amerikanischen und britischen Marineschiffe im Atlantik. Binnen zwölf Stunden lagen Fregatten der Atlantikflotte vor allen großen Häfen der Ostküste von Miami bis Portland, Maine. In der Zwischenzeit statteten Kutter der Küstenwache jedem Schiff, das in den letzten beiden Wochen am Kai gelegen hatte und der Spezifikation der Juno auch nur annähernd entsprach, einen Besuch ab.
Gleichzeitig wies das Kommando der Atlantikflotte Zerstörer und Kreuzer an, die großen Schifffahrtsrouten über den Atlantik abzufahren, für den Fall, dass die Juno immer noch irgendwo unterwegs oder auf dem Rückweg nach Europa war. Die britische Royal Navy schickte eine eigene Flotte nach Westen. Innerhalb von drei Tagen war jedes Schiff identifiziert worden, das dem Profil der Juno entsprach. Eine eindrucksvolle Leistung, in Anbetracht des winterlichen Wetters und der Tatsache, dass die Sonne auf der Hauptroute zwischen London und New York kaum acht Stunden am Tag schien.
Eindrucksvoll, doch fruchtlos. Der Einsatz der Marine blieb vergeblich. Die Juno war nicht auf den Schifffahrtsstraßen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten unterwegs. Und sie lag auch in keinem Hafen in den Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien oder Westeuropa.
Währenddessen suchten die Advanced-Keyhole-Satelliten der NSA den übrigen Atlantik ab. Sie konnten Schiffe in allen Einzelheiten, bis hin zu Namen und dreißig Zentimeter großen Rostflecken am Rumpf, erfassen, aber auch Aufnahmen machen, die mehrere Quadratkilometer und Dutzende Schiffe gleichzeitig abbildeten.
Das Problem war, dass sie nicht beides auf einmal konnten. Die Kamera, die Superweitwinkelaufnahmen mit höchster Auflösung machte, war noch nicht erfunden worden. Und von Grönland bis Südamerika hatte der Atlantik eine Fläche von mehr als einhundert Millionen Quadratkilometern. Selbst um diese quadratkilometerweise abzufotografieren, hätten die Satelliten einhundert Millionen Bilder gebraucht.
Um das Problem zu umgehen, legten zwei Dutzend Softwareentwickler in Fort Meade eine lange Nachtschicht ein. Bis zum Morgen hatten sie eine Anwendung entwickelt, mit der sich das Gesichtserkennungsprogramm der Agency als primitives Schiffserkennungsprogramm nutzen ließ. Die Software konnte zwar die Juno nicht finden, aber sie konnte in Echtzeit fünfundneunzig Prozent der von den Satelliten entdeckten Schiffe als zu groß, zu klein oder vom falschen Typ ausschließen.
Die anderen fünf Prozent wurden als potenzielle Kandidaten eingestuft und mit einer Auflösung von einem Meter erneut fotografiert. Diese Bilder wurden von den Analysten der NSA geprüft, die jedes Schiff aussortierten, das sich wesentlich von den Originalfotos der Juno unterschied, wobei man davon ausging, dass die Zeit, seit die Juno in Hamburg ausgelaufen war, zu kurz für umfangreiche Umbauarbeiten war.
Die Analysten konnten noch einmal neunzig Prozent
der Schiffe, die im ersten Durchgang übrig geblieben waren, ausschließen. Trotzdem waren nicht alle Satellitenfotos eindeutig. Viele Schiffe hatten graue Rümpfe und Decks, die sich kaum von den dunklen Wassern des Atlantiks abhoben. Die endgültige Entscheidung konnte erst getroffen werden, wenn sie auf See von Helikoptern, Drohnen oder Marinefliegern fotografiert worden waren. Die entsprechenden Namen und Positionen wurden der Marine zur abschließenden Prüfung übermittelt.
In Langley verfolgten Exley und Shafer die Suche vom Anbau des Einsatzzentrums aus, das sich im Untergeschoss der neuen Zentrale befand. Wie das gesamte Einsatzzentrum galt auch der Anbau als sogenannte blaue Zone, zu der nur Mitarbeiter mit der höchsten Sicherheitsfreigabestufe Zugang hatten.
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