John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
sagen Sie den Männern, wonach wir suchen.« Williams ging nach oben auf die Brücke und schickte seinen Ersten Offizier nach unten, um die Operationszentrale zu übernehmen. Er wollte dieses Schiff mit eigenen Augen sehen.
Die Juno abzufangen, die mit lächerlichen elf Knoten in gerader Linie dahintuckerte, war für die Decatur geradezu beschämend einfach. Nach nur zwei Stunden war der Frachter von der Brücke des Zerstörers aus im Südwesten
als Fleck auf dem Meer zu erkennen. Eine halbe Stunde später hatte sich der Abstand zwischen beiden Schiffen auf weniger als fünf Seemeilen verringert, und die Silhouette der Juno hob sich klar vom Wasser ab.
Nach weiteren fünfzehn Minuten liefen die Decatur und der Frachter parallel nebeneinander her. Der Zerstörer war doppelt so lang wie die Juno und fast dreimal so hoch. Selbst wenn die Größenverhältnisse anders gewesen wären, hätte der Frachter angesichts der Raketenwerfer und Kanonen auf dem Deck der Decatur bei einem Kräftemessen kaum eine Chance gehabt.
»Haben wir Funkkontakt?«, fragte Williams den Funkoffizier der Brücke.
»Ja, Sir.«
Williams griff nach seinem Headset. »Hier ist Kapitän Henry Williams von der Marine der Vereinigten Staaten. Mit wem spreche ich?«
»Kapitän Alvar Haxhi.« Haxhi hatten einen starken osteuropäischen Akzent. Das war nicht weiter erstaunlich, viele Schiffe wurden von Kapitänen aus Rumänien, Bulgarien und Albanien geführt.
»Sie sind der Kapitän der Juno, die in Monrovia, Liberia, registriert ist?«
»Das ist richtig.«
»Kapitän Haxhi, auf Befehl der Marine der Vereinigten Staaten weise ich Sie an, Ihr Schiff anzuhalten, damit meine Männer an Bord kommen und es durchsuchen können.«
»Nach welchem Seerecht?« Der Kapitän klang erstaunlich gelassen.
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass Ihr Schiff sensibles Material aus dem Besitz der Regierung der Vereinigten
Staaten transportiert. Wenn Sie uns nicht an Bord gehen lassen, bin ich befugt, tödliche Gewalt einzusetzen.«
Eine Pause. »Dann habe ich wohl keine Wahl.«
In Anbetracht der Umstände verlief die Aktion erstaunlich glatt. Über Funk forderte Williams Haxhi auf, zur Befragung über die Bewegungen der Juno auf die Decatur zu kommen.
»Ich werde mein Schiff nicht verlassen«, sagte Haxhi.
»Unter keinen Umständen?«
»Wir wissen doch beide, dass ich Sie eigentlich gar nicht an Bord lassen muss, Kapitän. Ich tue es, weil mir keine andere Wahl bleibt, aber ich lasse meine Männer nicht im Stich.«
Diese Einstellung musste Williams respektieren. »Dann komme ich zu Ihnen.«
Eine halbe Stunde später saß Williams mit Haxhi in der Kapitänskabine der Juno, einem schmucklosen weißen Raum mit einer Größe von drei mal drei Metern. Die Kabine stank nach osteuropäischen Zigaretten. Die Einrichtung war am Boden festgeschraubt und bestand aus einem Metallschreibtisch, einem Holzbett und einer Kommode. Über dem Schreibtisch waren zwei Fotos einer hübschen jungen Frau mit Klebestreifen an der Wand befestigt - Haxhis Frau oder Freundin oder vielleicht sogar seine Tochter. Ansonsten fehlte bis auf ein auf den Boden genageltes Putting Green jede persönliche Note.
»Spielen Sie Golf?«, fragte Williams.
»Natürlich, Kapitän. Sie nicht?«
»Reine Zeitverschwendung. Erzählen Sie mir, wo Sie gewesen sind.«
»Das war eine verrückte Tour«, behauptete Haxhi. »Wir wollten nach Nigeria, aber einhundert Kilometer vor Lagos ruft mich mein Schiffsmanager an und sagt, ich soll nach Westen fahren, nach Caracas.«
Die Geschichte war so unglaubwürdig, dass es schon fast eine Beleidigung war. »Wann war das?«, fragte Williams, ohne sich seine Verärgerung anmerken zu lassen.
»Vor zehn oder elf Tagen. Das müsste ich nachsehen.«
»Ist so was schon mal vorgekommen?«
»Einmal.«
»Und wer ist Ihr Manager?«
»Serge heißt er.«
»Serge - und wie noch?«
»Ich nenne ihn nur Serge, aber sein Name steht natürlich im Ladungsverzeichnis.«
»Und die Firma?«
»Nennt sich Socine Expo.«
»Haben Sie Telefonnummer, Adresse, E-Mail?«
Haxhi gab ihm alles.
»Und wie sind Sie hier gelandet?«
»Ich sage doch, erst sollten wir nach Lagos, dann nach Venezuela. Wir fahren also quer über den Atlantik, und zweihundert Kilometer vor Caracas heißt es, wir sollen wieder zurück. Diesmal nach Johannesburg. Also wenden wir wieder.«
»Das scheint ja keine gut geführte Firma zu sein. Sie haben eine Menge Diesel verschwendet.«
»Die Chefs tun, was
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