John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Millionen.«
»Es ist Bargeld, das muss ich persönlich übergeben.«
»Wirst du vom BND beobachtet? Ist das eine Falle?«
»Ich glaube nicht, dass mich irgendwer beobachtet.«
»Dann schlage ich vor, wir treffen uns an einem Ort, wo Leute sind.«
»Das ist nicht sicher, für keinen von uns. Wenn Sie Ihr Geld wollen, kommen Sie ins Hotel Stern. Zimmer 217.«
»Zwei-eins-sieben?«
»An der Reeperbahn.« Damit legte Bernhard auf.
Das Treffen konnte nur schlecht ausgehen, das war Wells klar. Er hatte Bernhard derart verschreckt, dass der sicherlich nur noch eine Möglichkeit sah zu verhindern, dass Wells seiner Familie etwas antat.
Wells entkleidete sich bis auf das graue T-Shirt und legte die kugelsichere Weste an, die er mitgebracht hatte. Darüber zog er einen dicken Wollpullover. Die Weste bot nur begrenzten Schutz, war aber besser als nichts. Er
schnallte sein Schulterholster über den Pullover, steckte die Glock ein und zog eine locker sitzende Lederjacke darüber. Bei kaltem Wetter war es ein Kinderspiel, eine Pistole zu verstecken. Er war schon auf dem Weg zur Tür, als er es sich noch einmal anders überlegte, zum Telefon griff und Shafer anrief.
»Schon am Flughafen?«, fragte Shafer.
»Wissen die Deutschen, wo Bernhard ist?«
»Zurzeit nicht.« Die Empörung war auch auf der anderen Seite des Atlantiks noch deutlich zu spüren. »Das hat mir der stellvertretende Leiter des BND gerade mitgeteilt. Zurzeit nicht. «
»Ich schon.« Wells erzählte von dem Anruf, den er eben erhalten hatte.
»Gut. Der BND soll ihn festnehmen.«
»Das mache ich.«
»Ich dachte, deine Tage als Freiberufler wären vorbei. Überlass ihn den Deutschen.«
»Er erwartet mich. Wenn er jemand anderen kommen sieht, springt er aus dem Fenster. Bei mir weiß er nicht so recht, auf welcher Seite ich stehe, das wird ihn aufhalten.«
»Das kann ein Einsatzteam mit Handgranaten besser.«
»Hat man ja in München gesehen.«
»1972 ist schon eine Weile her. Die Deutschen haben dazugelernt. Du bist nicht der Einzige, der diesen Job erledigen kann, John. Du machst immer wieder denselben Fehler. Du weißt hoffentlich, dass das die Definition für Wahnsinn ist.«
»Spar dir deine billigen Weisheiten. Ich schnappe ihn mir und schaffe ihn bis morgen früh nach Langley.«
»Mit dem Flugzeug, oder fliegst du mit deinem Superman-Umhang?«
»Sehr witzig, Ellis.«
»Ich muss den BND anrufen, aber ich gebe dir eine Stunde. Das reicht locker.«
»Zwei Stunden.«
»Gut, zwei Stunden.«
Der Spätnachmittagsverkehr staute sich, und Wells verfluchte sich dafür, dass er den Mercedes statt der U-Bahn genommen hatte. Es dauerte vierzig Minuten, bis er die Reeperbahn erreicht hatte, die still und grau im Dämmerlicht lag. Die langen, kalten Winternächte schreckten selbst die perversesten Freier ab. Auf der Südseite der Straße sah er das Hotel Stern … umgeben von Streifenwagen und einem Dutzend Beamten in Kampfausrüstung. Er schaute zweimal hin, weil er hoffte, dass die Polizisten nur zufällig da waren, um ein illegales Bordell oder einen Kebabladen mit angeschlossenem Heroinhandel hochgehen zu lassen. Aber dann rannten vor seinen Augen drei Männer mit Helmen und Gesichtsschutz ins Hotel. Shafer hatte ihm keine zwei Stunden gegeben. Nicht einmal fünf Minuten.
Wells hielt in einer von der Reeperbahn abgehenden Passage und zückte sein Satellitentelefon.
»Sag mir, dass es nicht wahr ist.«
»Ich hatte keine Wahl, John. Es ist ihr Land und ihre Operation.«
» Ihre Operation? Wer hat ihn gefunden? Wer hat ihn aus der Reserve gelockt?«
»Was willst du denn mit ihm anfangen? Verhaften kannst du ihn nicht. Und eine Entführung haben sich die Deutschen ausdrücklich verbeten.« Ein Lieferwagen bog hinter dem Mercedes in die Durchfahrt und hupte zweimal kurz, um Wells zur Weiterfahrt zu bewegen. »Er ist
deutscher Staatsbürger und bleibt in Deutschland. Das habe ich ihnen versprochen.«
» Mir hast du was versprochen, Ellis. Zwei Stunden.« Wells legte auf. Um Shafer würde er sich später kümmern. Verrat, Verrat und nochmals Verrat. Ohne sich um das Gebrüll des Lieferwagenfahrers zu kümmern, sprang er aus dem Mercedes und schlängelte sich zwischen den fahrenden Autos hindurch zu dem gepanzerten Polizeitransporter, der auf der anderen Straßenseite vor dem Eingang zum Hotel parkte.
»Halt! Halt!« Ein dicker Mann in einer schwarzen Splitterschutzweste mit der Aufschrift Polizei quer über der Brust trottete auf Wells zu, die
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