John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
das FBI kann sich nach Studenten mit arabischen Namen umsehen. Obwohl es schwierig werden dürfte, jemanden ohne Nachweis einer Verbindung festnehmen zu lassen. Bist du sicher, dass es die Penn State war?«
»Ganz sicher.«
»Vierzigtausend Studenten allein im Hauptstudium. Schade, dass es nicht Swarthmore war.«
»Da ist noch etwas …« Wells schüttelte den Kopf. Die Erinnerung verschwamm irgendwo im Nebel seines Unterbewusstseins.
»Zurück ins Traumland mit dir, John. Vielleicht fällt dir ja noch was ein.«
32
Baschir lag wach, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Neben ihm schnarchte seine Frau leise. Seine letzte Nacht als Ehemann. Seine letzte Nacht als Chirurg. Seine letzte Nacht.
Mittlerweile war ihm klargeworden, dass er sich bereiterklärt hatte, beim Bau der Bombe zu helfen, weil er geglaubt hatte, es würde ohnehin nicht klappen. Wie jedes ägyptische Kind hatte er einmal davon geträumt, die Fußballweltmeisterschaft zu gewinnen und den Pokal nach Kairo zu holen. Während seiner gesamten Grundschulzeit hatte er seine Treffsicherheit, seine Technik, ja sogar Kopfbälle trainiert. Aber als er an seinem neunten Geburtstag mit Freunden und Cousins in einem staubigen Park in der Nähe seiner Wohnung spielte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er keine Chance hatte. Er war nicht der langsamste Spieler auf dem Spielfeld, aber bei weitem nicht der schnellste. Und obwohl er eine solide Technik vorweisen konnte, kontrollierten seine Freunde - zumindest zwei von ihnen - den Ball, als wäre er mit einer Schnur an ihren Füßen befestigt.
Und das war nur ein einziger kleiner Fußballplatz. Überall im Viertel, in ganz Kairo spielten Kinder Fußball. Wenn er nicht einmal hier der Beste war, wie sollte er dann je der Beste in Ägypten werden? Die Erkenntnis tat
Baschirs Liebe zum Fußball keinen Abbruch. Er spielte weiter und träumte nach wie vor davon, im Flutlicht von Paris, London oder Barcelona zu spielen. Aber für den Rest seiner Kindheit wusste er, dass diese Vision nur ein schöner Traum war.
Irgendwie hatte er sich eingeredet, dieses Projekt sei ebenso unmöglich. Selbst als sich der Stall in eine Werkstatt verwandelte, als er lernte, Stahl zu schmieden, als er Nasiji und Jussuf in Neufundland abholte, selbst als sie den Gefechtskopf zerlegten, die Formen erstellten und die Bombenattrappe bauten, selbst als er in dieser Woche den Bombenkern geformt hatte, hatte er sich irgendwie geweigert zu akzeptieren, dass das Projekt real war. Er wusste nicht, ob er zu viel oder zu wenig Fantasie hatte.
Jetzt war die Bombe fertig. Vor drei Stunden hatten er und Jussuf den zweiten Teil des Urankerns vollendet. Baschir war selbst überrascht gewesen, wie schnell das gegangen war, aber Nasijis finstere Miene und Jussufs tote Augen waren ein gewaltiger Ansporn gewesen. Nasiji hatte die beiden Teile des Kerns kurz übereinandergeschoben, ein ungefährlicher Vorgang, solange der Kern der Luft ausgesetzt und nicht von dem reflektierenden Stahl-Tamper umhüllt war. Die Teile passten genau ineinander. Dann hatten sie das untere Teil an das Loch im Tamper geschweißt, wobei sie eine Stahlkappe zur Zentrierung benutzt hatten. Der vorletzte Schritt bestand darin, das rückstoßlose Geschütz an den Tamper zu schweißen, und hatte nur wenige Minuten gedauert. Schließlich hatten sie das wie ein Wasserglas geformte äußere Uranteil am 73-mm-Sprengstoffgeschoss des »Speers« befestigt.
Und dann war es so weit. Wie schnell die Bombe abgefeuert werden konnte, hing nur davon ab, wie lange
Nasiji, Baschir oder Jussuf brauchten, um das Geschoss in den Lauf des »Speers« zu laden und den Abzug zu betätigen. Nach Abschluss der Arbeiten prüften Jussuf und Nasiji schweigend ihr Werk, als wäre es ein perfektes Steak, das sie auf ihrem Gartengrill zubereitet hatten. Unterdessen werkelte Baschir im Stall, verstaute das Werkzeug und wischte den Schweißbrenner ab.
Schließlich stieß Nasiji einen scharfen Pfiff aus. »Hör auf«, befahl er Baschir. »Das ist völlig sinnlos. Wir bauen keine zweite Bombe.«
»Ja, natürlich«, stammelte Baschir. »Das muss meine Ausbildung als Chirurg sein. Ich räume nach der Operation immer auf.«
»Es ist spät«, sagte Nasiji. »Lass uns essen und schlafen gehen.«
Beim Abendessen erklärte ihnen Nasiji die letzten Schritte. Am Morgen würden sie die Bombe und die Reste des Iskander in den Suburban laden, zum letzten Fluchthaus fahren - von dessen Existenz Baschir bisher nichts
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