John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
ich wieder weg sein, wenn du zurückkommst. Du siehst ja selbst, was daraus geworden ist. Alles beim Alten, bis auf meine Haare und das Loch in meiner Leber. Jetzt habe ich mir vorgenommen, dass das mein letzter Einsatz ist.«
»Ach ja?«
»Ja.« Sie lächelte, und Wells spürte, wie sein Herz schneller schlug. Vielleicht würden sie nach dieser Sache einen Weg finden, zusammenzubleiben, vielleicht auch nicht, aber er wusste, dass sie ihn immer lieben würde.
»Schluss mit den Wiedersehensfeierlichkeiten, Kinder«, sagte Shafer. »Wir haben zu arbeiten. Gibt’s was Neues?«
»Wir haben die RCMP« - die Royal Canadian Mounted Police - »informiert, und die hat von den Fährgesellschaften Listen aller Lkws und Transporter angefordert, die seit Januar von Neufundland nach Nova Scotia übergesetzt haben. Die können wir mit den bei uns verzeichneten Grenzübertritten abgleichen. Aber wir sollten uns keine allzu großen Hoffnungen machen. Pkws werden nicht registriert, und auf den Schiffen und Kais gibt es keine Kameras.«
»Was ist mit den Flügen?«
»Da sieht es besser aus. Von St. John’s aus gibt es einen Direktflug nach Newark.«
»Ist das der einzige Direktflug in die Staaten?«
»Der Einzige. Das FBI besorgt sich gerade einen richterlichen Beschluss, damit wir die Passagierlisten einsehen können. Außerdem überprüfen wir die Aufzeichnungen der Einwanderungsbehörde in Newark. Wenn sie in der Maschine waren, müssten wir in ein paar Stunden Namen, Gesichter und Passnummern kennen.«
»Damit können wir Autovermietungen, Fluggesellschaften, Kreditkarteninstitute und Handys überprüfen«, erklärte Shafer.
»Keine Probleme mit dem Beschluss?«, fragte Wells.
»Der Präsident wird sich einschalten. Ich glaube, in diesem Fall hätten selbst die Bürgerrechtsorganisationen keine Einwände.«
»Ist schon entschieden, ob wir die Namen der Bombenbauer öffentlich bekanntmachen, wenn wir sie kennen?«
»Duto und der übrige Klub der großen Fische« - das war der inoffizielle Name des behördenübergreifenden Ausschusses für Heimatschutz-Notfalleinsätze - »sind gerade unterwegs ins Weiße Haus, um das zu klären. Du kennst ja das Problem.«
Das Problem war, wie immer, dass sich die Terroristen durch eine öffentliche Jagd gedrängt fühlen mochten, die Bombe sofort zu zünden. Aber die Namen bekanntzugeben war zugleich der schnellste und wirkungsvollste Weg, sie zu finden. Verkompliziert wurde die Situation durch die Tatsache, dass für den nächsten Abend die Rede zur Lage der Nation anstand. Es wäre Wahnsinn gewesen, diese wie geplant zu halten, solange jederzeit eine Atombombe hochgehen konnte. Sie abzusagen war allerdings
gleichbedeutend mit einem Signal an die Terroristen, die Bombe sofort zu zünden.
»Was kann ich tun?«, fragte Wells.
»Du? Schlaf ein paar Stunden, die Maschinerie läuft auch ohne dich«, erwiderte Shafer. »Im Augenblick kannst du nichts tun, und morgen wird ein langer Tag. Träum von Bernhard, wenn du kannst. Diese Leute waren bisher ultravorsichtig. Selbst wenn wir ihre Namen kennen, werden wir sie nicht auf Anhieb finden. Bernhard war bisher unsere heißeste Spur, und den kennst du am besten.«
»Mal sehen, was ich tun kann.« Wells streckte sich auf der Couch aus und wollte seinen Kopf in Exleys Schoß legen, aber sie schob ihn weg.
»Nicht jetzt.«
Also schlurfte er zu seinem Büro, legte sich auf den Fußboden und träumte von Bernhard. Bernhard auf seinem Totenbett im Hotel Stern, der ihm trotz seines zerschmetterten Schädels die Geheimnisse der Bombenbauer verriet. Wo sie waren. Was ihre Kisten enthielten. Aber dann landete plötzlich ein deutscher Fallschirmspringer in einem Bärenkostüm in seinem Büro, und Bernhard verschwand. Später stand Wells wieder in Bernhards Büro, tippte auf den geschmolzenen Tasten des Laptops herum, starrte auf den ausgebrannten Monitor. Er griff nach seinem Kaffee …
Und wachte plötzlich auf.
In Shafers Büro saßen er und Exley vor dem Bildschirm.
»Ellis, Jenny, könnt ihr euch vorstellen, wieso Bernhard Kygeli einen Kaffeebecher der Penn State hatte?«
»Penn State wie Pennsylvania State University in Happy Valley, Pennsylvania? Wüsste nicht, warum.«
»Hatte er aber. In seinem Büro.«
»Studieren seine Kinder da?«, fragte Exley.
»Kann ich mir nicht vorstellen. Die leben in Hamburg.«
»Cousins oder Neffen?«, überlegte Shafer laut. »Der BND kann uns die Namen aller Verwandten in Deutschland besorgen. Und
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