John Wells Bd. 3 - Stille des Todes
Seine Frau, die mit einer Gewissheit gesegnet war, die sich ihm entzog.
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Die Black Hawks aus Langley und vom Pentagon landeten gerade auf dem Rasen hinter dem Weißen Haus, als die gepanzerten Limousinen von FBI und Außenministerium durch die Tore an der E Street rollten. Einer nach dem anderen verschwanden die Männer mit den grimmigen Mienen im Westflügel des Weißen Hauses. Obwohl es schon nach Mitternacht war, hatten sich die Besucher unabhängig voneinander ausnahmslos für einen frisch gebügelten Anzug und eine ordentlich geknotete Krawatte entschieden. Der Ernst der Lage ließ keinen Raum für Nachlässigkeit.
Im Weißen Haus wurden sie nicht wie erwartet ins Lagezentrum geführt, sondern ins Oval Office. Niemand fragte, warum. Das Oval Office schien ebenso angemessen wie Anzug und Krawatte. Außerdem war das Lagezentrum eng, niedrig und im Vergleich zum Büro des Präsidenten nicht besonders bequem.
Die Besprechung war für 0.15 Uhr angesetzt, und der Präsident hasste Unpünktlichkeit. Duto, der um 0.13 Uhr eintraf und seinen Platz neben dem Verteidigungsminister einnahm, war der Letzte. Es war ein Treffen auf höchster Ebene: der Direktor der National Intelligence Agency, der Direktor des FBI, der Außenminister, der Minister für Heimatschutz und der nationale Sicherheitsberater. Keine
zweite Garde. Der Chef von Los Alamos und der befehligende General des strategischen Air-Force-Kommandos saßen neben ihren Telefonen, falls der Präsident Fragen hatte, nahmen jedoch nicht an der Besprechung teil.
Duto war Hunderte Male in diesem Büro gewesen, aber er konnte sich nicht erinnern, dass die Lage je so ernst gewesen wäre. Die Konfrontation mit China war riskant gewesen, doch ihnen war erst im Nachhinein bewusst geworden, wie riskant. Damals hatte niemand wirklich an eine atomare Bedrohung geglaubt. Diesmal wussten sie es besser. Und solange sie keine Ahnung hatten, wo sich die Bombenbauer versteckten, blieben nur zwei Optionen: Sie konnten das ganze Land informieren und eine landesweite Panik auslösen, oder sie konnten die Informationen für sich behalten und in aller Stille nach den Terroristen suchen.
Duto war froh, dass er nicht die Entscheidung treffen musste. Seine Aufgabe war es, die verschiedenen Möglichkeiten auf den Tisch zu legen. Gelegentlich mochte er andeuten, welche er bevorzugte, aber seine Meinung äußerte er nur dann, wenn er ausdrücklich darum gebeten wurde. Wenn der Präsident seine Entscheidung getroffen hatte, würde die CIA ihr Bestes tun, um seine Befehle auszuführen. Allerdings waren ihre Möglichkeiten viel begrenzter, als ihre Kritiker und Befürworter glaubten. Invasion eines Landes? Aufgabe der Armee. Eine Prognose zur Entwicklung in Afghanistan in den nächsten zwanzig Jahren? Da war eine Kristallkugel zuverlässiger. Die Agency war weder allmächtig noch allwissend. Sie bemühte sich um zuverlässige Voraussagen und erledigte die Drecksarbeit, die kein anderer tun wollte, möglichst ohne die Vereinigten Staaten dabei zu blamieren.
Die CIA war ein großer, schwerfälliger, bürokratischer Apparat. Einen Großteil seiner Zeit verbrachte Duto damit, diesen Apparat am Laufen zu halten. In der verbleibenden Zeit kämpfte er vor allem dafür, dass die CIA innerhalb der noch größeren Bürokratie der amerikanischen Geheimdienste nicht unterging. Er machte keine politischen Vorgaben, und er versuchte nicht, den Präsidenten bloßzustellen. Und so überlebte er. Er hatte zwei Regierungen, einen Maulwurf, Guantanamo und die Beinahe-Katastrophe von New York überstanden. Er hatte lange genug überlebt, um das Territorium der CIA und damit sein eigenes gegen die Begehrlichkeiten von FBI und Verteidigungsministerium zu schützen, die versucht hatten, sich in die verdeckten Operationen einzumischen, die nach Tradition und Gesetz ausschließlich Langley vorbehalten waren. Und trotzdem besaßen einige seiner eigenen Agenten - die Männer und Frauen, deren Einsatzbereich er schützte - die Frechheit, ihn als Schoßhündchen zu bezeichnen.
Wie John Wells. Duto wusste, was Wells von ihm hielt. Im Laufe der letzten Jahre hatte sich Wells als nützlich erwiesen, das stand außer Frage. Aber er mochte ihn nicht und würde ihn auch nie mögen. Der Kerl ging ihm auf die Nerven. Wells war wie Kobe Bryant. Großes Talent und noch größeres Ego. Solche Menschen hielten sich immer für unentbehrlich. Und das waren sie auch, eine Zeit lang. Aber niemand war unersetzlich. Irgendwann
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