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John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

John Wells Bd. 3 - Stille des Todes

Titel: John Wells Bd. 3 - Stille des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berenson
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er sich damit endgültig zum Narren machte. Er lernte die Wörter auswendig und sprach sie in die Kamera. Sie mussten die Aufnahme ein paarmal wiederholen, aber schließlich war Jussuf zufrieden.
    »Aus dir machen wir noch einen Star, Grigorij.«
     
    Vor dem Schlafengehen beteten Jussuf und Tajid. Sie hatten die üblichen Zeiten nicht eingehalten - eigentlich mussten sie jeden Tag fünfmal beten. Grigorij vermutete, dass auf einer solchen Mission Ausnahmen erlaubt waren, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Grigorij kniete mit ihnen nieder und lauschte, sprach die Worte aber nicht mit.
    Dann legten sie sich auf den Wohnzimmerboden. Grigorij rechnete nicht damit, schlafen zu können, aber er tat es. Er träumte, dass er in einem mit Eau de Toilette gefüllten Schwimmbad schwamm, und wachte erst auf, als Jussuf ihm um fünf Uhr morgens einen Fußtritt versetzte.
    »Wir müssen los.«
    »Können wir nicht hierbleiben und fernsehen?«
    Jussuf presste die Hände zusammen. »Schon wieder ein Witz?«
    »Gut erkannt.« Grigorij wusste, wie riskant es war, den Teufel so zu provozieren, aber es war ihm egal. Ob Jussuf ihn umbringen würde oder nicht, hing nicht davon ab, ob er sich ab und zu einen Scherz erlaubte.
    »Du hast Glück, dass ich meine Befehle habe«, sagte Jussuf.
    Sie fuhren nach Süden in Richtung Wolgograd, das früher Stalingrad geheißen hatte. Im Zweiten Weltkrieg hatte hier eine mörderische Schlacht getobt. Elf Monate
lang hatten Nazis und Sowjets erbittert um die Stadt gekämpft, die Stalins Namen getragen hatte. Beide Seiten hatten Befehl, auf keinen Fall zu kapitulieren. Am Ende hatte es insgesamt fast eine Million Tote gegeben, und die Stadt lag in Schutt und Asche. Die Ladung in ihrem Kofferraum konnte ebenso viel Schaden anrichten wie all diese Soldaten. Für Grigorij waren die Bomben eine geheime Armee.
    Am späten Nachmittag wurde das Land hügelig. Im Südosten tauchten die Berge des Kaukasus auf, ein graues Felsmassiv, das im Dunst verschwamm. Als sie Noworossijsk an der Küste erreichten, war es bereits wieder dunkel. Seit Grigorij mit den Bomben im Kofferraum Majak verlassen hatte, waren eineinhalb Tage vergangen. Grigorij hoffte, dass sie noch am selben Abend außer Landes kamen. Viel Zeit blieb ihnen nicht. In ein oder zwei Tagen würde jemand die Vollzähligkeit der Waffen prüfen. Natürlich würden alle davon ausgehen, dass nichts fehlte, aber nachdem er und Tajid verschwunden waren, würde zur Sicherheit trotzdem eine Kontrolle stattfinden. Die würden ihr blaues Wunder erleben.
    Noworossijsk war eine graue Industriestadt, der größte russische Hafen am Schwarzen Meer. Wohnblöcke bedeckten die Hänge über der Küste. Die Luft stank nach dem Öl aus den Lagertanks am Hafen, dreißig Meter hohen weißen Ungetümen. Sie umgingen die Stadt und fuhren auf der schmalen Küstenstraße in Richtung Südosten. Im Osten stieg das Gelände steil an, im Westen lag das Meer. Die Straße war dunkel und rutschig, und Jussuf fuhr vorsichtig, mit beiden Händen am Lenkrad.
    »Weißt du, selbst wenn wir einen Unfall bauen, gehen die Dinger nicht hoch«, sagte Grigorij.

    »Hältst du eigentlich nie den Mund? Du bist schlimmer als eine Frau.«
    Eine halbe Stunde später fuhr Jussuf in der Nähe von Gelendschik auf das Gelände eines verlassenen Hotels, das für den Winter geschlossen hatte. Eine Straße mit tiefen Spurrinnen führte den Hang hinauf zu einem Betonklotz, der durch geschmacklosen Schnickschnack verschönt wurde. Hinter dem Hotel stand ein Dutzend Bungalows unter den kahlen Bäumen verteilt. Vor dem am weitesten vom Hauptgebäude entfernten stellte Jussuf den Motor ab. Sie saßen im Dunkeln. Der Regen hatte aufgehört, aber die Luft war nasskalt. Sie warteten schweigend. Außer den auf der Küstenstraße vorbeifahrenden Autos und ihrem Atem war nichts zu hören.
    So verging eine Stunde. Im Auto wurde es kalt, doch Jussuf schien das nichts auszumachen. Er schloss die Augen und döste vor sich hin. Grigorij versuchte, seinem Beispiel zu folgen, aber es gelang ihm nicht. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, lief alles, was seit Freitag geschehen war, wie ein Film vor ihm ab: die Ankunft des Konvois, seine meisterhafte Manipulation von Major Akilew, wie Boris den Kofferraum durchsucht hatte … Es war, als wäre er vor zwei Tagen geboren worden. Sein Leben davor schien es kaum jemals gegeben zu haben.
    »Tajid«, sagte er. »Warst du nervös, als Boris den Kofferraum durchsucht hat? Hattest du

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