JoJo Und Ich
nirgendwo je versucht worden. Die Beziehung zwischen JoJo und mir war offenbar einzigartig.
Jedenfalls erlaubte mir sein Vertrauen, ihm in den Mund zu fassen und sogar regelmäßig die Zähne zu untersuchen. Der nächste Schritt – nie dagewesen und im Grunde ein Ding der Unmöglichkeit – bestand nun in der oralen Verabreichung des Antibiotikums durch »kooperative Zwangsernährung«, wie Joan es genannt hatte.
Ich rief JoJo an meine Seite. Seine Körpersprache und die Blicke, mit denen er mich bedachte, verrieten mir, dass er genau wusste, dass ich etwas im Schilde führte. Entsprechend langsam und vorsichtig kam er auf mich zu. »JoJo«, sagte ich, »du musst mir jetzt einfach vertrauen. Und nimm es mir bitte nicht übel.«
JoJo hatte mir gegenüber noch nie Anzeichen von ernsthafter Gegenwehr erkennen lassen, doch jetzt konnte sich das ganz schnell ändern. Ich blickte ihm tief in die braunen Augen, und da war es ganz unzweifelhaft, dieses auf Gegenseitigkeit beruhende Verständnis, das uns verband. Versuchsweise legte ich ihm einen Arm über den Rücken. JoJo präsentierte sich wie vorgesehen für die Untersuchung und reagierte, wenn auch lethargisch, auf die Signale, die sich zwischen uns im Laufe der Zeit herausgebildet hatten. Er zeigte keinerlei Anzeichen von Widerstand.
Als ich ihn so hielt, spürte ich deutlich, wie krank er war. Beide Augen hatte er fast geschlossen, und seine Muskeln wirkten schlaff. Er zuckte nicht einmal, als ich ihn auf die Seite wälzte und sein Maul öffnete, wie ich es schon so oft getan hatte. Ich blickte ihm die rosige Zunge entlang in den Schlund und zögerte.
»Weiter, Dean, los«, rief mir Dave über die Schulter zu. »Er braucht die Arznei doch.« Debbie nickte und hob den Daumen.
Ich drückte die Tintenfischhaut mit den Kapseln, holte tief Luft und fuhr JoJo mit dem Arm bis über den Ellbogen in den Schlund. Schließlich spürte ich den Knorpelring, an dem ich das Medikament nach Auskunft der Tierärzte loslassen konnte. Ich tat es, und als ich den Arm herauszog, schluckte JoJo mit lautem Glucksen.
»Ja!«, riefen Dave und Debbie wie aus einem Mund und fielen sich um den Hals.
Auch mir entfuhr ein Seufzer der Erleichterung, doch dann ließ mich JoJo wissen, dass ihm die Prozedur überhaupt nicht gefallen hatte. Er schimpfte mich an wie noch nie und schüttelte heftig den Kopf, so unangenehm war ihm die Sache. Ich rechnete mit verdienter Vergeltung und suchte sicheren Stand, um mich für einen Angriff zu wappnen. Doch JoJo rammte mich nicht und schlug auch nicht mit der Schwanzflosse, wie er es bei den Brooklyn Boys gemacht hatte. Er schimpfte und wetterte nur eine Weile pfeifend und quietschend und funkelte mich aus seinen kaffeebraunen Augen an.
Mir fiel ein Stein vom Herzen und etwas hob sich in mir wie ein Blasenring. Wie viel Energie er in dieser elenden Verfassung noch besaß! Ich grinste Dave und Debbie dankbar an. Wie gut, dass sie da waren. Ich weiß nicht, ob ich es ohne ihre Rückendeckung geschafft hätte. Zumal Emily nicht mehr da war.
»Ich dachte schon, ich würde dich verlieren, JoJo«, sagte ich und sah ihm weiter zu. »Hoffentlich kannst du irgendwie einsehen, dass es einfach sein musste. Und hoffentlich behältst du dein Vertrauen zu mir.«
JoJo quäkte und gluckste noch ein wenig weiter, aber dann legte er seinen Unmut ab und ließ die ganze Sache auf sich be ruhen. Jetzt brauchte er Ruhe und Erholung, und ich war ganz froh, dass er sich abregte und in sein langsames, gedämpftes Verhalten zurückfiel. Aber er schwamm nicht weg. Ich hatte sein Vertrauen aufs Spiel gesetzt und trotzdem hatte er nicht die Flucht ergriffen. Doch wie würde es am Nachmittag laufen, wenn die zweite Dosis fällig war?
Um drei rief ich JoJo wieder zum Strand, und wir schwammen zusammen zu einer etwas abgelegenen Stelle, an der David und Debbie auf uns warteten. Bei der ersten »Einnahme« waren einfach zu viele Zuschauer am Strand gewesen, die uns nur nervös machten. Diesmal öffnete der Delfin den Schnabel zwar schon nicht mehr ganz so bereitwillig, doch obwohl er wusste, womit zu rechnen war, und mich genau beobachtete, konnte ich ihm das Medikament genauso verabreichen wie am Vormittag.
Am nächsten Tag sollte er das Mittel wieder zweimal bekommen. Jetzt wirkte er schon weniger vertrauensselig, ließ die Behandlung aber willig über sich ergehen. Die Frage war nur wieder, was anschließend kam. Ich wusste nie, wie er reagieren würde.
Am nächsten Vormittag
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