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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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heraus und trat
einen Schritt nach vorne.
    »Wenn du dich noch einmal in meine Nähe wagst, bringe ich
dich um.« Die Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und
erschwerte ihm die Orientierung.
    »Ich habe dich betrauert«, brauste er auf und kämpfte
gegen ihre Teilnahmslosigkeit an. »Du hast mich mit auf den
Meeresgrund gezogen! Dein Tod hat mich schwerer verletzt,
als es dein Messer je könnte. Was hat der Totenkopf nur aus
dir gemacht?«
    Seine Worte prallten an der Schwärze des Raumes ab, und er
wagte noch einen weiteren Schritt in die Richtung, in der er
sie vermutete. Vor seinem inneren Auge sah er ihre lockigen,
roten Haare vor sich, die ihn stets so fasziniert hatten.
    »Bei den Hörnern des Teufels! Du hast mich in dem Glauben
gelassen, du seist tot. Vier Jahre lang habe ich mich jeden
Tag von dir verabschiedet und mich gefragt, warum dir ein
derartiges Ende beschert war. Ich werde mir nichts mehr von
dir befehlen lassen! Wenn du willst, dass ich mich dir nie
wieder nähere, dann musst du deine Worte wahr machen und
mich töten«, murrte er und ließ seine Säbel demonstrativ
zurück in die Schärpe gleiten. Er war wehrlos und ihm war
mit einem Mal unwohl zumute. Niemals zuvor hatte er ihr so
wenig vertraut wie in diesem Augenblick.
    »Als Verräter verdienst du den Tod«, entgegnete sie kalt.
    »Verräter? Verdammt will ich sein, aber ich hätte mein
Leben für dich gegeben!« Pierres Brust hob und senkte sich
vor aufgestauter Wut.
    »Du hast mit Michel Le Basque eine Verschwörung gegen mich
geplant! Nicht einmal Jérôme vertraute dir mehr!«
    Pierre zögerte und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
Weshalb hätte ihm Jérôme misstrauen sollen? Er konnte sich
keinen Reim auf ihren Vorwurf machen. Geschwind tat er einen
weiteren Schritt nach vorne und lief direkt in ihre
ausgestreckte Klinge, die sich schmerzhaft in seine Brust
bohrte.
    »Ich weiß nichts von einer Verschwörung!« Er spürte, wie
der Druck der Klinge erhöht wurde, und unterdrückte den
Impuls, zurückzuweichen.
    »Denk nach«, flüsterte er eindringlich. »Jérôme war mein
Freund. Ich sorge seit seinem Tod für seine Familie. Und für
Manuel. Ist das die Tat eines Verräters?«
    Bei der Erwähnung von Manuels Namen bemerkte er, dass die
Klinge sich leicht bewegte.
    »Sei still«, zischte sie.
    Pierres Wut kehrte mit aller Macht zurück.
    »Der einzige Verräter in diesem Raum bist du“, machte er
sich Luft. »Du hast Manuel vor vielen Jahren im Stich
gelassen, nur um deinen dummen Ideen zu folgen. Keiner
deiner Pläne ging auf und alles, was du den Menschen, die
sich um dich sorgten, gebracht hast, sind Kummer und Leid.«
Er stockte kurz, weil er das eigene Blut warm über seine
Brust laufen fühlte. »Was ist nur aus dir geworden?«
    »Ein Bruder der Küste.« Sie zog die Waffe zurück und
entfernte sich in der Dunkelheit.
    »Wir sind alle dem Untergang geweiht.« Pierre spuckte aus.
    »
Han-ha'n catu'
«, murmelte sie heiser. »So sei es.«
    Pierre verharrte mit hängenden Armen. Nichts an ihr war
ihm noch vertraut. Und doch, sie hatte ihm in der Sprache
ihrer Mütter geantwortet. Irgendwo in ihrem Inneren musste
etwas von dem Mädchen stecken, mit dem er aufgewachsen war.
Seine Wut verrauchte.
    »Dann sind wir von nun an Fremde?«, fragte er.
    »Wir sind bereits Fremde, seit du Tierra Grande verlassen
hast. Bleib fern von mir!« Ihre Stimme vermischte sich mit
der Finsternis, in die sie sich zurückzog.
    Er bewegte sich rückwärts in Richtung Tür. Die kurze
Distanz erschien ihm so endlos wie ein windstiller Tag auf
hoher See. Er hatte bereits den Riegel in der Hand, als er
innehielt. Er wollte sie nicht gehen lassen.
    »Erinnerst du dich an die Geschichte von Yaya?« Er wartete
einen Moment, bevor er hinzufügte: »Yayaels Tod hat den
Menschen etwas Gutes gebracht. Vergiss das nie.«
    Er wusste nicht, ob Jacquotte ihn hörte oder bereits auf
und davon war. Doch er hoffte, dass der Wind, der durch ein
geöffnetes Fenster im hinteren Teil des Raums zu ihm
hinüberwehte, nicht das Einzige war, was von ihrer Begegnung
zurückblieb.

Kapitel 9
    Mona Passage, Frühling 1666
     
    »In die Wanten!« Antoines Stimme hallte über das Deck. Es
klang wie ein Echo, da die milde Luft die Befehle zur
Wachablösung von den anderen Schiffen bis zur
La Poudrière
trug. Der Trupp passierte in dieser Nacht die Mona Passage,
die sich zwischen La Española und der Westküste von Puerto
Rico

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