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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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dem Messer und ließ ihn schließlich stehen. Diesen Moment
nutzte Bigford, um sich davonzumachen. Die Schwellung in
seiner Hose war noch präsent, und er verdammte L’Olonnais,
der es gewagt hatte, die einzigen weiblichen Gefangenen,
derer sie in den zwei Wochen habhaft werden konnten, zu
töten. Sie hätten anderweitig von Nutzen sein können. Aber
das verstand ein Mann mit der Gesinnung eines L’Olonnais
freilich nicht. Bigford schnaubte und brachte sich in die
Gegenwart zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Pierre Le
Picard den Olonnaisen hasserfüllt anstarrte. Wusste er etwa
Bescheid?
    Bigford gab vor, den Worten des Basken zu lauschen und
schielte zu Antoine Du Puits hinüber. Im Gegensatz zu Remi
erschien er ihm in keiner Weise kriecherisch oder fügsam. Im
Gegenteil, seine Körperhaltung war selbstbewusst, beinahe
arrogant. Bigford konnte sich beim besten Willen nicht
vorstellen, dass er die Spielchen von L’Olonnais mitmachte.
Er schien zu wissen, was er wollte. Dennoch war er
L‘Olonnais ergeben. Lag der Grund dafür einzig in seinem
Ehrgeiz, ein Schiff anzuführen? Heutzutage war es nicht
einfach, Kapitän zu werden. Zu viele Männer strömten in die
Inseln, alle begierig darauf, Macht zu erlangen. Nur den
wenigsten gelang es, ein Schiff zu übernehmen und noch
wenigeren, es anschließend zu halten. Bigford traute Du
Puits diese Verschlagenheit zu. Er grübelte. Der Baske hatte
Picard ausgesandt, um Du Puits zu beschatten. Er wollte ihn
für sich gewinnen, denn er erkannte die Stärke, die in Du
Puits schlummerte, und die er lieber für sich und seine
Angelegenheiten genutzt hätte, als sie dem Olonnaisen zu
überlassen. Doch Picard kam mit seiner Mission nicht voran.
Es hieß, Du Puits sei ein misstrauischer Geselle. Nicht zum
ersten Mal hegte Bigford jedoch den Verdacht, dass Picard
neuerdings Gefühle zuließ, die er lange Zeit tief in sich
begraben trug und die ihn nun, da sie einen Weg an die
Oberfläche gefunden hatten, daran hinderten, seiner Aufgabe
zufriedenstellend nachzukommen. Der Wolf verfolgte eine
Fährte, und Bigford konnte sich nicht erklären, was diese
Veränderung ausgelöst haben mochte.
    »Den letzten Zählungen zufolge ist unsere Truppe
dreihundertachtzig Mann stark«, resümierte der Baske in
diesem Moment. »Wenn wir davon ausgehen, dass Gibraltar
zwischenzeitlich Verstärkung aus Mérida erhalten hat, dann
liegt die Zahl der wehrhaften Männer dort inzwischen über
vierhundert. Wir müssen vorsichtig sein, Brüder! Die
Bewohner hatten lange genug Zeit, sich auf den Überfall
einzustellen. Leichtes Spiel wie in Maracaibo dürfen wir
nicht erwarten!«
    Die Kapitäne brummten.
    »Wir werden sie niederrennen!«, zischte L’Olonnais und
starrte die beiden spanischen Verbündeten verächtlich an.
    Der Baske tat einen Schritt zwischen ihn und die
schwarzhaarigen Männer. »Mit Wut allein ist die Stadt nicht
einzunehmen. Wir brauchen etwas mehr, um die Brüder gegen
eine Übermacht anzuführen.«
    »Gibraltar scheint von Wert zu sein, wenn es sich lohnt,
sie derart zu verteidigen«, gab Jan Willems zu bedenken.
    »Aye! Es gibt dort reichlich Sklaven, die auf dem Markt in
Port Royal gutes Geld bringen, wenn man sie nicht zu Tode
foltert«, bestätigte Pierre. Bigford erlaubte sich ein
Grinsen.
    »Umso größere Beute haben wir zu erwarten«, entgegnete
L’Olonnais kühl. »Wir lassen die Gefangenen Lösegeld zahlen
und erpressen sie damit, ihre Stadt und ihre Plantagen
niederzubrennen. Sie werden darauf eingehen, aber wir dürfen
nicht zaghaft sein.«
    Die Kapitäne sahen überrascht auf. Derartige Worte waren
sie von dem Olonnaisen nicht gewohnt. Selbst durch Picards
Provokation ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Der
Baske zwinkerte unruhig.
    »Ich stimme Kapitän L’Olonnais zu«, erklärte Moïse
Vauquelin. »Wir müssen aggressiv vorgehen. Wir kennen die
Wehranlagen nicht, die uns die Spanier entgegenzusetzen
haben, daher sehe ich die einzige Chance darin, sie mit all
unseren Männern anzugreifen und auf diese Weise zu
überraschen.«
    Bigford sah, wie der Baske zusammenzuckte. Als Anführer
der Truppen an Land erwartete er, dass man ihn anhörte und
ihm folgte. Doch offenkundig schätzten die Kapitäne das
angriffslustige Vorgehen von L’Olonnais in diesem Fall mehr
als das zurückhaltende Kalkül des Basken. Bigford war hin-
und hergerissen. Seine Gier nach Reichtum kämpfte mit seinem

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