Joli Rouge (German Edition)
seinen ungläubigen
Gesichtsausdruck amüsiert, aber er ließ es wohlweislich
bleiben.
»Was wollt ihr mir damit sagen, De l’Isle? Dass ich mich
von diesem Bilgenschwein habe täuschen lassen?«, schrie er
und trat gegen ein randvoll mit Pech gefülltes Fass. Die
heiße Flüssigkeit schwappte über und lief ihm über die
Schuhe. Michel Le Basque brüllte auf. »Bei allen
Höllenhunden! Wo ist dieses Weib? Ich werde ihr zeigen, was
es heißt, den großen Basken zu blenden!« Er stürmte los und
schüttelte sich im Laufen die Schuhe von den Füßen. In
weitem Bogen warf er sie ins Gebüsch.
De l’Isle hastete hinter ihm her. Er ärgerte sich, nicht
umsichtiger vorgegangen zu sein, wusste er doch um den
Jähzorn des Basken. Nun war er zu übellaunig, um ihm den
Vorschlag zu unterbreiten, die rote Jacquotte gegen einen
Großteil der Prise freizugeben.
»Haltet ein«, rief er ihm nach. »Ihr solltet mich erst
anhören, bevor Ihr Euer Urteil fällt!«
»Euch anhören?«, tobte Michel Le Basque und stieß einige
entgegenkommende Männer zur Seite. »Ich verzichte auf Eure
klärenden Worte, De l’Isle. Zweifelsohne bereitet Euch meine
Verfehlung Freude!«
Er rannte auf den Hauptplatz von Port de Margot und
verpasste dem erstbesten Mann, den er antraf, einen solch
gewaltigen Kinnhaken, dass dieser besinnungslos zu Boden
ging.
»Wo ist sie?«, schrie er. Sämtliche Anwesenden duckten
sich, als er seinen Säbel zückte.
De l’Isle bemerkte den Blick von Jean-David, der auf der
gegenüberliegenden Seite stand und abfällig den Mund verzog.
Wusste er um sein Vorhaben? De l’Isle starrte ihn an, und
sein Steuermann verengte die Augen.
Völlig außer sich hieb der Baske auf die Pfosten eines
Hauses ein, während der Platz sich leerte.
»Bringt mir die rote Jacquotte«, hallte seine Stimme durch
die Stadt.
»Ich bin hier!« Ihr Erscheinen ließ den wütenden Anführer
innehalten. Die Männer streckten ihre Köpfe aus den
Verstecken.
»Du!« Mit drohend vorgestrecktem Säbel schritt er auf sie
zu. Tête-de-Mort stand in ihrem Rücken, und Michel Le Basque
fixierte ihn herausfordernd.
»Ihr schützt sie?«, fragte er.
»Ich geleite sie zu Euch. Auf dass Ihr Eure Weisheit dazu
einsetzt, gerecht zu urteilen.« Tête-de-Mort senkte seinen
Säbel.
Michel Le Basque schnaubte, und De l’Isle glaubte zu
sehen, wie seine Wut unter den wachsamen Augen des
Totenkopfs verrauchte. Ärgerlich ballte er die Hände zu
Fäusten. Er hasste diese arrogante Missgeburt für seinen
Einfluss auf den Basken!
»Bringt sie in mein Haus«, befahl der Baske. »Ich wünsche,
mit ihr allein zu sprechen.«
De l’Isle wollte protestieren, aber Jean-David, der sich
an seine Seite geschlichen hatte, hielt ihn zurück.
»Du willst sie für dich«, sagte er mit glasigen Augen. De
l’Isle war erschrocken über den unverhohlenen Hass in seinem
Blick.
»Was geht es dich an?«, entgegnete er ruppig, um die
Furcht zu verbergen, die ihn überkam.
»Du schuldest mir etwas«, stellte Jean-David fest. »Du
hast die Geiseln freigelassen, als das Lösegeld ausblieb.
Dabei hätten wir Zeit gehabt, sie zu Tode zu foltern. Nur
ein Feigling handelt wie du!«
Sein Gesicht verzog sich bösartig, und De l’Isle hielt
inne. Jean-David war seit jeher eigentümlich gewesen, doch
was er nun in ihm sah, bestürzte ihn. Sein kaltes,
tückisches Wesen richtete er bisher gegen die Spanier. Es
gegen sich selbst gerichtet zu sehen, jagte De l’Isle einen
eisigen Schauer über den Rücken. Mit unbehaglichem Gefühl
verfolgte er, wie Tête-de-Mort mit der roten Jacquotte in
dem vordersten Holzgebäude verschwand, an dessen rechter
Seite eine morsche Treppe hinauf in den ersten Stock führte.
Diese Treppe behielt auch Jacquotte im Auge und fragte
sich, ob sie ihr im Zweifel eine Fluchtmöglichkeit bieten
würde. Mit pochendem Herzen betrat sie den düsteren Raum,
der nach Tabak und modrigem Holz roch. Zwischen den schweren
Holzbalken wanden sich Schlingpflanzen ins Innere, die der
Hausherr bisweilen abbrannte, wie die geschwärzten Enden
vermuten ließen. Teppiche mit filigranen Mustern lagen auf
dem gestampften Boden und machten saugende Geräusche unter
den Füßen, die von der Feuchtigkeit herrührten, die sie aus
der Luft und der Erde aufnahmen. Ein wuchtiger Sekretär aus
rötlich schimmerndem Holz stand in der Mitte des Raums. Über
seine linke Seite ergoss sich ein Wasserfall aus gestocktem
Wachs,
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