Joli Rouge (German Edition)
der den Kerzen entsprang, die die Arbeitsfläche
regelmäßig erhellten. Zumindest zeugte der Berg an Büchern
von einem reichen Wissensdurst. Daneben aufgereiht lagen
Tonpfeifen in diversen Formen und Größen sowie ein
Tintenfass und ein langer Federkiel. An den Wänden stapelten
sich Musketen, Säbel und Lanzen, wie sie Jacquotte noch von
den grausamen
lanceros
kannte, sowie ein gutes Dutzend
Eichenfässer.
Jacquotte spürte die Wärme von Tête-de-Mort in ihrem
Rücken und dachte an seine Worte, bevor sie das Schiff
verlassen hatten. Die Regeln der Bruderschaft sprechen für
sich, hatte er gesagt. Sie verstand nicht, was er damit
meinte, und das machte ihr Angst. Den gesamten Rückweg hatte
er sich von ihr distanziert. Sie war Bestandteil seiner
Mannschaft, verrichtete ihre Arbeit und wurde nicht als
Gefangene angesehen, aber er wich ihren Blicken aus und kam
nie in ihre Nähe. Jan dagegen folgte ihr wie ein ergebener
Hund und schien vor dem Kapitän darum zu betteln, sie nicht
an Michel le Basque auszuliefern. Aber sein Flehen war
vergebens, denn Tête-de-Mort hatte unbeeindruckt den Hafen
von Port de Margot angesteuert.
»Lasst uns allein!« Mit seiner Statur füllte der Baske den
Eingang des Hauses komplett aus und verdunkelte den Raum
zusätzlich. Tête-de-Mort trat einen Schritt zurück, und
Jacquotte warf ihm einen bangen Blick zu. Er nickte ihr zu
und verschwand gebückt ins Freie.
Mit bebenden Nasenflügeln umkreiste sie der Anführer der
Bruderschaft. Dabei duckte er sich wie ein sprungbereites
Tier. Jacquotte verfolgte angespannt jede seiner Bewegungen
und machte sich bereit zum Kampf. Tête-de-Mort hatte ihr die
Waffen abgenommen. Einzig ein Messer steckte noch im Schaft
ihres Stiefels. Sie konnte es spüren, wenn sie die Muskeln
spannte. Doch Michel Le Basque ließ von ihr ab.
»Setz dich«, sagte er und deutete auf einen massiven
Stuhl, dessen Lehne leicht nach hinten gebogen war.
Jacquotte nahm Platz, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Man verlangt von mir, dass ich über dich richte.« Er
musterte sie von oben bis unten. »Ich habe dir den Kodex
verlesen. Was hat dich dazu getrieben, dich meinen Worten zu
widersetzen?«
»Ich wollte Euch beweisen, dass ich jedem Mann in der
Bruderschaft ebenbürtig bin.«
Michel Le Basque verzog keine Miene, aber seine Stimme
wurde sanfter, als er sagte: »Ich weile nicht erst seit
kurzem auf dieser Welt, und ich habe viel gesehen. Ich
segelte in fast unentdeckten Gefilden, in den Gewässern, die
man Südsee nennt. Es gibt dort viel Einsamkeit und Menschen,
deren Körper über und über mit
tataus
verziert sind. Ich
segelte auf französischen Schiffen und auf holländischen.
Ich diente in jeder Position an Bord eines Schiffes. Doch in
all der Zeit ist mir kein Weib untergekommen, das derart
begehrlich darauf war, den Weg eines Mannes zu beschreiten.«
»Vielleicht wart Ihr nicht aufmerksam genug. Nur weil Euch
keine Frauen aufgefallen sind, mag das nicht heißen, dass es
keine gab.«
Der Baske hieb so heftig auf den Sekretär, dass die
Tonpfeifen klirrten. »Du wagst es erneut, gegen mich
aufzubegehren? Was ist mit dir, Weib?«
Jacquotte wurde ärgerlich. »Ich mag nicht über die Meere
gesegelt sein, aber ich habe mein Leben in den Wäldern
zugebracht. Wenn die Hunde ein Schwein stellen, dann ist es
gleichgültig, ob es ein Eber oder eine Bache ist, beide
kämpfen mit dem gleichen Willen und der gleichen Härte gegen
die Hunde an. Einzig der Mensch unterscheidet in diesem Maß
über die Geschlechter!«
Michel Le Basque lachte auf. »Du bist spitzfindig, meine
Liebe! Ich sagte dir bereits, dass du mir Respekt abnötigst,
auch wenn ich damals von anderen Voraussetzungen ausging.«
Er kratzte nachdenklich sein Kinn und beobachtete sie.
»Ich bin die Bruderschaft«, erklärte er nach einer Weile.
»Ich schätze deine Tapferkeit, aber die Männer verlangen
Härte von mir. Wenn ich öffentlich über dich richte, darf
ich dich nicht verschonen. Dein Schicksal liegt in meiner
Hand. Deshalb schlage ich dir einen Handel vor, den du
besser annimmst, wenn dir dein Leben lieb ist.«
Jacquotte starrte ihn an und es war, als wenn sie Jérôme
zu sich sprechen hörte, als Michel Le Basque fortfuhr: »Das
Leben einer Frau ist nicht der Kampf! Ganz gleich, was du
dir wünschst, ich werde dich nicht in der Bruderschaft
dulden.«
Sie sprang auf, und der Baske war mit einem Satz bei ihr.
»Zwing mich
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