Joli Rouge (German Edition)
meine
Angelegenheiten zu mischen, dann waren wir die längste Zeit
Gefolgsbrüder«, sagte er verärgert.
Remi ließ die Hand sinken. »Nur Blut kann unsere
Verbindung lösen«, zitierte er den Kodex.
»Wenn es sein muss, dann werde ich dafür sorgen, dass dein
Blut fließt.« Pierre ballte die Hände zu Fäusten. Er konnte
nicht leugnen, dass ihn die Nachricht über Jacquottes
Eintreffen in Cayone verunsicherte, und es ärgerte ihn, dass
Remi ihn durchschaute.
»Nach all dem, was wir geteilt und miteinander erlebt
haben, gibst du ihr immer noch den Vorzug!«
»Hör auf zu jammern, Mann!« Pierre wandte sich ab. »Geh zu
den anderen und bring deine letzten Achterstücke unters
Volk, bevor wir Segel setzen.« Er ließ Remi stehen und hielt
auf den oberen Teil der Stadt zu.
Mit energischen Schritten ging er durch die Gassen und
schlug den altbekannten Weg ein bis er den Felsvorsprung
erreichte, an dem er Manuel wiedergetroffen hatte. Schwer
atmend hielt er an und starrte in den wolkenverhangenen
Himmel. Er hatte gehofft und gebangt, ihre Rückkehr
gleichzeitig verflucht und ersehnt und nun sollte ihr Schiff
eintreffen, bevor er in See stechen konnte. Es war absurd.
Er fürchtete sich vor einem Wiedersehen mit ihr. Kein
Spanier, kein feindliches Schiff oder Unwetter hatten in ihm
jemals dieses Unbehagen freigesetzt, das er auf einmal
empfand. Er wollte sie vor Michel Le Basque warnen, wusste
aber, sie würde nicht auf ihn hören. Weil sie das noch nie
getan hatte. Er seufzte. Es war feige, sich vor ihr zu
verstecken, und dennoch stand er hier oben, beobachtete den
Hafen und schwor sich, erst wieder in die Stadt
hinunterzugehen, wenn es an der Zeit war, die Segel der
Belle Rouge
zu setzen.
Währenddessen bezog L’Olonnais Position hinter einem der
Warenhäuser, von wo er einen hervorragenden Blick auf den
gesamten Hafen hatte. Angewidert stieg er über den Unrat,
der, wie überall in der Stadt, in uneinsehbaren Ecken
angehäuft wurde, und in der warmen Luft üble Gerüche
freisetzte. Der Drang, die rote Jacquotte endlich in die
Finger zu bekommen, war übermächtig. Ihretwegen hatte er
sich gegen seinen Mentor und geliebten Freund Jaque De
l’Isle gewendet. Sie hatte ihm derartig den Kopf verdreht,
dass er sogar bei Michel Le Basque vorsprach, um ihr Wohl zu
sichern. Aber er, L’Olonnais, hatte die Absichten von De
l’Isle sofort durchschaut. Immerhin hatte er ihn besser
gekannt als jeder andere. Wer das Bett mit einem Menschen
teilte, der konnte die tiefsten Sehnsüchte in ihm stillen,
aber auch erwecken. De l’Isles Hunger nach Macht war
unersättlich gewesen. Bedauerlicherweise auch sein Hunger
auf Frauen. Diesen Drang vermochte L’Olonnais nicht zu
stillen, lediglich zu kontrollieren. Doch als das rote Weib
aufgetaucht war, spürte er seinen Einfluss schwinden. Das
nahm ihm die Möglichkeit, an der Seite von De l’Isle über
die Brüder zu herrschen und die Spanier für alle Zeit
auszulöschen. Die Wut darüber, seiner Chance und seines
Geliebten beraubt worden zu sein, wuchs mit jedem Tag.
De l’Isle rücklinks das Messer in den schönen Körper zu
jagen, war Befriedigung und Qual zugleich gewesen. Nie würde
er die widersprüchlichen Gefühle vergessen, die er empfunden
hatte, als sich De l’Isle zu ihm umdrehte. Die Erkenntnis in
seinen sterbenden Augen kam einer Anklage gleich, die
L’Olonnais nicht bereit war hinzunehmen. Wie im Rausch stach
er auf ihn ein. Später leckte er sich das Blut von den
Händen. Sein Blut. Sie waren Brüder im Herzen gewesen, und
durch den Tod wurde De l’Isle zu einem Teil von ihm. Das war
ein Triumph und er hatte ihn verzückt ausgekostet. Erst,
wenn es ihm vergönnt war, in die sterbenden Augen der roten
Jacquotte zu blicken, würde er Genugtuung erfahren. Ihr Blut
würde ihn noch stärker und unbesiegbarer machen. Er wusste,
dass keiner der Toten sühnen konnte, was er einst verloren
hatte, doch das war einerlei. Er hatte Gefallen an der Jagd
gefunden, er tötete aus Leidenschaft. Mit Stolz rühmte er
sich des Namens, den man ihm gegeben hatte. Als Geißel der
Spanier verbreitete er Schrecken auf den Meeren, und nur die
rote Jacquotte wurde in mehr Liedern gepriesen als er. Er
würde dafür sorgen, dass man in Zukunft einzig ihm huldigte.
Der Plan des Basken war der eines Feiglings. Nur
entschlossenes Handeln gereichte einem Mann zur Ehre. Vor
Anspannung summend, verfolgte er, wie das schwarze
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