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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ahner
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Blut aus. Prüfend ließ er seine Zunge über die Lippen gleiten und stellte fest, dass er sie aufgebissen hatte. Nur eine kleine Verletzung, die aber heftig blutete. Viel schlimmer war, dass der Weg in die Freiheit plötzlich unerreichbar war. Der zerbrochene Baum war nicht mehr als Leiter zu gebrauchen, und am Himmel leuchtete bereits das Abendrot. Es musste ein Wunder geschehen, damit er vor Einbruch der Dunkelheit hier herauskam.
    Er war verloren.
    Jonathan wusste nicht, ob er schreien oder weinen sollte. Genutzt hätte ihm beides nichts, schließlich war er ganz allein an einem Ort, der seit Jahrzehnten von den Menschen gemieden wurde. Sein Blick fiel auf seinen rechten Arm, und sein Herz schlug schneller: Das Eyn schimmerte in sanftem blauem Licht. Das hatte es schon einmal getan, als Jonathan kurz davor gewesen war, Prügel zu beziehen. Er wusste, was das bedeutete: Gefahr im Anmarsch. Intuitiv wich er zurück, bis sein Rücken die feuchte Kellerwand berührte. Mit angehaltenem Atem verbarg er sich in der Dunkelheit, in der lächerlichen Hoffnung, dass er sich vor dem Bösen verstecken konnte. Er hörte schwere Schritte, die ihn an ein großes Tier erinnerten. Zitternd kramte er seine Taschenlampe aus dem Rucksack hervor und schaltete sie ein. Er sah Säulen, die eine rußgeschwärzte Decke trugen. Im Schatten erkannte er einen gusseisernen Heizungsofen, der seit Jahrzehnten kein Feuer mehr gesehen hatte, und eine Tür mit Metallbeschlägen, die verschlossen war. Jemand – etwas – näherte sich ihr von der anderen Seite. Sein Armreif leuchtete so stark, dass er kaum noch eine Lampe benötigte. Das Licht würde ihn verraten, wenn er nichts unternahm. Er wickelte seine Jacke um den Arm, kroch hinter eine Säule und schaltete die Taschenlampe aus. Plötzlich wurde die Finsternis, die er eben noch so sehr gefürchtet hatte, zu seinem Freund und Beschützer.
    Die Schritte waren bei der Tür angelangt und verstummten. Für einige Sekunden wurde es wieder still. Jonathan schloss die Augen. Es war ein Spuk, es musste ein Spuk sein, eine böse Sinnestäuschung. Niemand konnte innerhalb der Mauern dieses Hauses leben. Er hatte doch selbst gesehen, dass sämtliche Fenster und Türen mit Brettern vernagelt waren.
    Gerade als er sich erfolgreich eingeredet hatte, dass die Schritte eine Ausgeburt seiner lebhaften Fantasie waren, hörte er das metallische Klappern des Schlosses. Jemand versuchte, die Tür zu öffnen. Er wagte es nicht zu atmen.
    »Jonathan?«
    Sein Herz blieb stehen – bis ihm bewusst wurde, dass er die Stimme kannte.
    »Eliane?«
    Er hätte jubeln können vor Freude. Eliane war zurückgekommen. Sie kauerte an der Luke und streckte ihren Kopf in die Dunkelheit.
    »Du hast echt ein Rad ab, du Schwachkopf. Was treibst du da unten?«
    »Na, was schon? Ich hole mein Zeug wieder.«
    »Nobelpreiswürdige Idee. Und jetzt hängst du fest.«
    »Nein, ich find’s hier wahnsinnig gemütlich«, erwiderte Jonathan und warf einen nervösen Blick über die Schulter. »Bist du allein?«
    »Emir würde mich plattmachen, wenn er wüsste, dass ich dir helfe. Da ist niemand. Nur ich und ein paar Millionen Mücken. Die fressen mich auf, wenn wir hier nicht bald verschwinden.«
    Ein Schlüssel klapperte im Schloss, als er hin- und hergedreht wurde. Der rostige Mechanismus leistete Widerstand, aber wie lange noch? Jonathan stellte sich ins Licht, sodass Eliane ihn sehen konnte.
    »Hol mich hier raus. Schnell!«
    Sie wollte etwas erwidern. Dann bemerkte auch sie die Geräusche, und ihre Gelassenheit verschwand. Sie riss erschrocken die Augen auf.
    »Ist da unten noch jemand?«
    »Hilf mir, bitte.«
    »Warte, ich habe ein Seil dabei.«
    »Beeile dich!«
    Qualvolle Sekunden verstrichen, in denen die Dunkelheit langsam näher kroch. Jonathan starrte auf die verschlossene Tür wie eine Maus in die Augen einer Schlange. Dann, endlich, fiel das Seil zu Boden.
    »Komm schon, rauf mit dir«, rief Eliane.
    Jonathan kletterte, so schnell er konnte. Seine Füße fanden etwas Halt an den Wänden. Zentimeter um Zentimeter zog er sich hoch und fühlte sich dabei wie ein Köder am Haken.
    »Schneller!«, rief Eliane.
    »Ich mach ja schon, ich mach ja schon …«
    In diesem Moment sprang die Tür auf. Konturen einer Gestalt schälten sich aus der Finsternis hervor, die monströs waren, nicht menschlich. Bevor Jonathan etwas erkennen konnte, packte Eliane seine Hand und zog ihn aus der Luke hervor. Beide fielen ins Gras und atmeten

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