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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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verstehen. »Aber ich kann immer noch nicht glauben, dass es derselbe Traum war«, erklärte er Mr. Segundus, als hätte er es mit einem etwas dümmlichen Kind zu tun. »Wovon haben Sie geträumt?«
    »Von einer Dame in einem blauen Kleid«, sagte Mr. Segundus. »Ich nehme an, dass es sich um Miss Absalom handelte.«
    »Aber natürlich war es Miss Absalom!«, rief Strange höchst aufgebracht, als könnte er es kaum ertragen, dass etwas so Offensichtliches auch noch erwähnt wurde. »Aber leider war die Dame nur mit einem Herrn verabredet. Selbstverständlich war sie verwirrt, als zwei auftauchten, und ist prompt wieder verschwunden.« Strange schüttelte den Kopf. »Es kann in England nicht mehr als fünf Männer geben, die behaupten können, Zauberei zu betreiben, aber einer davon muss hierher kommen und meine Begegnung mit Absaloms Tochter stören. Ich kann es kaum glauben. Ich bin der größte Pechvogel in ganz England. Gott weiß, dass ich lange gearbeitet habe, um diesen Traum zu träumen. Es hat mich drei Wochen gekostet – Tag und Nacht habe ich geschuftet –, um die Zaubersprüche vorzubereiten, und was die ...«
    »Aber das ist doch wunderbar!«, unterbrach ihn Mr. Honeyfoot, »das ist großartig. Nicht einmal Mr. Norrell könnte so etwas versuchen.«
    »Ach«, sagte Strange und wandte sich an Mr. Honeyfoot. »Es ist nicht so schwierig, wie Sie denken. Zuerst schickt man der Dame eine Einladung – dazu reicht jeder Zitierungszauberspruch. Ich habe Ormskirk benutzt. 43 Die größte Mühe machte es natürlich, Ormskirk so anzupassen, dass wir beide, Miss Absalom und ich, zur gleichen Zeit in meinem Traum erschienen – Ormskirk ist so locker gefasst, dass die Person, die man herbeizitiert, eigentlich zu jeder Zeit und überall erscheinen kann und dabei das Gefühl hat, ihre Pflicht erfüllt zu haben –, das , ich gebe es zu, war keine einfache Aufgabe. Aber ich bin mit dem Ergebnis nicht unzufrieden. Als Zweites musste ich mich selbst mit einem Zauberspruch belegen, damit ich in einen zauberischen Schlaf verfiel. Selbstverständlich habe ich von solchen Zaubersprüchen gehört, aber zugegebenermaßen nie einen gesehen, und deswegen musste ich einen eigenen erfinden – er ist wirklich ein wenig schwach, aber was soll man machen?«
    »Gütiger Gott!«, rief Mr. Honeyfoot. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie diese ganze Zauberei praktisch selbst erfunden haben?«
    »Ach, na ja«, sagte Strange. »Na ja, ich hatte Ormskirk – alles beruhte auf Ormskirk.«
    »Aber wäre nicht Hether-Gray eine bessere Grundlage gewesen als Ormskirk?«, fragte Mr. Segundus. 44 »Verzeihen Sie mir. Ich bin kein praktischer Zauberer, aber Hether-Gray erschien mir immer wesentlich verlässlicher als Ormskirk.«
    »Wirklich?«, sagte Strange. »Natürlich habe ich von Hether-Gray gehört. Seit kurzem korrespondiere ich mit einem Herrn in Lincolnshire, der behauptet, ein Exemplar von Hether-Grays Die Anatomie des Minotaurus zu besitzen. Es lohnt sich also, einen Blick in Hether-Gray zu werfen?«
    Mr. Honeyfoot erklärte, dass dem nicht so wäre, dass Hether-Grays Buch den dümmsten Unsinn der Welt enthielte; Mr. Segundus widersprach, und Strange wurde zunehmend interessierter und vergaß, dass er eigentlich wütend auf Mr. Segundus war.
    Denn wer kann schon lange wütend auf Mr. Segundus sein? Auf der Welt gibt es Menschen, die Güte und Freundlichkeit nicht mögen, die sich über Sanftmut ärgern – aber zu denen zählte Jonathan Strange Gott sei Dank nicht. Mr. Segundus entschuldigte sich dafür, den Zauber verdorben zu haben, und Strange lächelte, verneigte sich leicht und sagte, Mr. Segundus solle nicht mehr daran denken.
    »Ich werde Sie nicht fragen, Sir«, sagte Strange zu Segundus, »ob Sie ein Zauberer sind. Die Leichtigkeit, mit der Sie in die Träume anderer Leute eindringen, spricht für Ihre Kraft.« Strange wandte sich an Mr. Honeyfoot. »Und sind Sie auch Zauberer, Sir?«
    Armer Mr. Honeyfoot! Eine so unverblümte Frage, die auf einen so schwachen Punkt zielte. In seinem Herzen war er immer noch Zauberer und wurde nicht gern an seinen Verlust erinnert. Er erwiderte, dass er vor nicht allzu vielen Jahren ein Zauberer gewesen war. Aber er sei gezwungen gewesen, die Zauberei aufzugeben. Nichts habe seinen Wünschen weniger entsprochen. Das Studium der Zauberei – der guten englischen Zauberei – sei seiner Meinung nach die vornehmste Beschäftigung in der Welt.
    Strange sah ihn überrascht an. »Aber ich verstehe

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