Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
Vom Netzwerk:
gar nichts. Heutzutage schützt das Alter vor keiner Torheit.«
    Mit dieser Bemerkung schien der Zauberer das Gespräch für beendet zu halten. Er wandte sich erneut seinem Buch zu und begann zu lesen.
    Jeremy wartete noch einen Moment, und dann ging er, weil sein Herr und Meister ihn vergessen zu haben schien.
    »Ich habe Ihnen noch nicht für diese wunderbaren Geschenke gedankt, Sir«, sagte Stephen zu dem Herrn mit dem Haar wie Distelwolle.
    »Ach, Stephen. Ich bin froh, dass ich Ihnen eine Freude machen konnte. Ich gebe zu, dass das Diadem Ihr eigener verzauberter Hut ist. Ich hätte Ihnen viel lieber eine richtige Krone geschenkt, aber kurzfristig war es mir unmöglich, eine in die Hände zu bekommen. Ich nehme an, dass Sie enttäuscht sind. Obwohl mir jetzt, da ich darüber nachdenke, einfällt, dass der König von England mehrere Kronen hat, die er nur selten benutzt.«
    Er hob die Hände und deutete mit zwei ungeheuer langen weißen Fingern nach oben.
    »Oh!«, rief Stephen, dem plötzlich klar geworden war, was der Herr beabsichtigte. »Wenn Sie vorhaben, den König von England mit einer seiner Kronen herzuzaubern – und davon gehe ich aus, da Sie immer so freundlich zu mir sind –, dann bitte ich darum, dass Sie sich die Mühe ersparen. Wie Sie wissen, brauche ich im Augenblick keine Krone, und der König von England ist ein so alter Herr – wäre es nicht angebracht, ihn zu Hause zu lassen?«
    »Ach, na gut«, sagte der Herr und senkte die Hände.
    Da er sonst nichts zu tun hatte, ging er wieder dazu über, den neuen Zauberer zu beschimpfen. Nichts an dem Mann fand sein Wohlgefallen. Er machte das Buch lächerlich, das er las, mäkelte an seinen Stiefeln herum und sah sich außerstande, seine Größe gutzuheißen (obwohl er haargenau so groß war wie er selbst – wie sich herausstellte, als beide zufällig zur gleichen Zeit aufstanden).
    Stephen wollte unbedingt zu seinen Pflichten in der Harley Street zurückkehren, aber er befürchtete, dass der Herr mit dem Haar wie Distelwolle etwas Schwereres als Papier auf den Zauberer werfen könnte, wenn er die beiden allein ließe. »Sollen wir zusammen in die Harley Street gehen, Sir?«, fragte er. »Dann können Sie mir erzählen, wie Ihre edlen Taten London geprägt und glorreich gemacht haben. Das ist immer so unterhaltsam. Ich kann es gar nicht oft genug hören.«
    »Aber gern, Stephen, gern.«
    »Ist es weit, Sir?«
    »Ist was weit, Stephen?«
    »Harley Street, Sir. Ich weiß nicht, wo wir sind.«
    »Wir sind am Soho Square und nein, es ist überhaupt nicht weit.«
    Als sie vor dem Haus in der Harley Street ankamen, verabschiedete sich der Herr liebenswürdig von Stephen, drängte ihn, sich wegen ihrer Trennung nicht zu grämen, und erinnerte ihn daran, dass sie sich am Abend in Verlorene Hoffnung wiedersehen würden. »Wir werden eine ganz zauberhafte Zeremonie im Glockenstuhl des Östlichsten Turms abhalten. Im Gedenken an eine Begebenheit, die sich vor ungefähr fünfhundert Jahren zutrug, als es mir dank meiner Schlauheit gelang, die kleinen Kinder meines Feindes einzufangen und sie aus dem Glockenstuhl in den Tod zu stürzen. Heute Abend werden wir diesen Triumph nachspielen. Wir werden Strohpuppen in die blutgetränkten Kleider der Kinder stecken und sie auf die Pflastersteine hinunterwerfen, und dann werden wir singen und tanzen und ihren Tod bejubeln.«
    »Führen Sie diese Zeremonie jedes Jahr auf, Sir? Ich würde mich gewiss erinnern, wenn ich sie schon einmal erlebt hätte. Sie klingt so überaus ... großartig.«
    »Ich freue mich, dass Sie das finden. Ich lasse sie aufführen, wann immer sie mir einfällt. Selbstverständlich war sie noch wesentlich großartiger, als wir echte Kinder benutzten.«
KAPITEL 27
Die Frau des Zauberers
Dezember 1809 bis Januar 1810
    Es gab nun zwei Zauberer in London, die man bewundern und um die man ein großes Aufheben machen konnte, und es wird kaum jemanden überraschen, dass London Mr. Strange vorzog. Strange entsprach den Vorstellungen, wie ein Zauberer sein sollte. Er war hoch gewachsen; er war charmant; er hatte ein überaus ironisches Lächeln; und im Gegensatz zu Mr. Norrell sprach er gern über Zauberei und hatte nichts dagegen, Fragen zu diesem Thema zu beantworten. Mr. und Mrs. Strange nahmen an vielen abendlichen Essen und Festen teil, und irgendwann kam Strange immer den Wünschen der Gesellschaft nach und zauberte ein wenig. Am beliebtesten unter seinen Vorführungen waren Visionen auf einer

Weitere Kostenlose Bücher