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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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dass keine von einer anderen Instanz über Drawlight verhängte Strafe ihn zufrieden stellen würde. Deshalb schickte er noch am gleichen Tag Childermass zu Lord Liverpool und ließ ihn um eine kurze Unterredung mit Seiner Lordschaft bitten. Childermass kehrte mit der Botschaft zurück, dass Lord Liverpool ihn am nächsten Tag empfangen würde.
    Zur vereinbarten Stunde wartete Mr. Norrell dem Premierminister auf und erklärte seinen Plan. Nachdem er geendet hatte, runzelte Lord Liverpool die Stirn.
    »Aber das Zauberrecht wird in England nicht mehr angewandt«, sagte Seine Lordschaft. »Es gibt keine Advokaten, die dafür ausgebildet sind, in so einem Gerichtshof zu praktizieren. Wer würde solche Fälle übernehmen? Wer würde das Urteil sprechen?«
    »Ah!«, sagte Mr. Norrell und zog ein dickes Bündel Papiere hervor. »Ich bin froh, dass Ihre Lordschaft diese wichtigen Fragen stellt. Ich habe ein kleines Dokument verfasst, welches das Vorgehen der Cinque Dragownes beschreibt. Leider weist unser Wissen viele Lücken auf, aber ich habe ein paar Vorschläge aufgeführt, wie wir sie füllen können. Mein Vorbild war der Geistliche Gerichtshof der Kirche in London. Wie Ihre Lordschaft sehen wird, haben wir viel Arbeit vor uns.«
    Lord Liverpool blickte auf die Papiere. »Bei weitem zu viel Arbeit, Mr. Norrell«, sagte er trocken.
    »Aber sie ist absolut notwendig, das versichere ich Ihnen! Überaus notwendig. Wie sonst sollen wir die Zauberei regulieren? Wie sonst sollen wir uns vor bösartigen Zauberern und ihren Dienern schützen?«
    »Was für bösartige Zauberer? Es gibt nur Mr. Strange und Sie.«
    »Nun, das ist zwar richtig, aber...«
    »Fühlen Sie sich im Augenblick besonders bösartig, Mr. Norrell? Gibt es einen dringenden Grund, warum die britische Regierung einen neuen Gesetzeskodex einführen sollte, um Ihre schändlichen Neigungen zu kontrollieren?«
    »Nein, ich...«
    »Oder legt vielleicht Mr. Strange eine heftige Neigung an den Tag, zu morden, zu verstümmeln und zu stehlen?«
    »Nein, aber...«
    »Dann bleibt uns nur dieser Mr. Drawlight, der, soweit ich weiß, überhaupt kein Zauberer ist.«
    »Aber seine Verbrechen sind ganz eindeutig zauberische Verbrechen. Unter englischem Recht sollte ihm der Prozess vor den Cinque Dragownes gemacht werden – das ist der angemessene Gerichtshof. Er hat sich folgender Verbrechen schuldig gemacht.« Mr. Norrell legte dem Premierminister ein weiteres Blatt Papier vor. »Hier! Fauler Zauber, Böses Streben und Heimtückische Lehre. Kein gewöhnliches Gericht verfügt über die Kompetenz, so etwas zu verhandeln.«
    »Zweifellos. Aber wie ich bereits erwähnt habe, gibt es niemanden, der über diesen Fall zu Gericht sitzen kann.«
    »Wenn Ihre Lordschaft einen Blick auf Seite zweiundvierzig meiner Notizen werfen möchte. Dort schlage ich vor, Richter, Advokaten und Ankläger des Obersten Gerichtshofs zu nehmen. Ich werde ihnen die Prinzipien des thaumaturgischen Gesetzes erklären – das wird nicht länger als ungefähr eine Woche dauern. Und ich könnte ihnen für die Zeit des Prozesses meinen Diener, John Childermass, zur Verfügung stellen. Er ist ein sehr kenntnisreicher Mann und kann ihnen leicht sagen, wenn sie in die Irre gehen.«
    »Was! Der Richter und die Anwälte sollen vom Kläger und seinem Diener unterwiesen werden? Gewiss nicht! Vor so einer Idee zuckt die Gerechtigkeit zurück.«
    Mr. Norrell blinzelte. »Aber was für eine andere Sicherheit habe ich, dass nicht andere Zauberer kommen, meine Autorität herausfordern und mir widersprechen?«
    »Mr. Norrell, es ist nicht Aufgabe des Gerichts – irgendeines Gerichts –, die Ansichten einer Person über die aller anderen zu erheben. Weder in der Zauberei noch in irgendeiner anderen Sphäre des Lebens. Wenn andere Zauberer unterschiedlicher Meinung sind, dann müssen Sie die Differenzen mit ihnen austragen. Sie müssen die Überlegenheit Ihrer Ansichten beweisen, so wie ich in der Politik. Sie müssen argumentieren und veröffentlichen und Ihre Zauberei betreiben, und Sie müssen lernen, so zu leben wie ich und ständige Kritik, Opposition und Zensur zu ertragen. Das, Sir, ist die gute englische Art.«
    »Aber...«
    »Ich bedaure, Mr. Norrell. Ich will nichts mehr davon hören. Die Sache ist erledigt. Die Regierung von Großbritannien ist Ihnen dankbar. Sie haben Ihrem Land unermessliche Dienste erwiesen. Alle Welt kann wissen, wie sehr wir Sie schätzen, aber worum Sie bitten, ist

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