Jonathan Strange & Mr. Norrell
aufgeschoben werden würde, wurden plötzlich dringlich eingefordert. Grobschlächtige Männer hämmerten mit Stöcken an seine Tür. Mehrere Personen rieten ihm, sich sofort ins Ausland abzusetzen, aber er wollte nicht glauben, dass ihn seine Freunde so vollkommen im Stich ließen. Er meinte, Mr. Norrell würde ein Einsehen haben; er dachte, Lascelles, sein lieber, lieber Lascelles, würde ihm helfen. Er schickte beiden hochachtungsvolle Briefe und bat um ein sofortiges Darlehen von vierhundert Guineen. Aber Mr. Norrell antwortete nicht, und Lascelles schrieb, dass er es sich zur Regel gemacht hatte, niemandem Geld zu leihen. Drawlight wurde wegen seiner Schulden am Dienstagmorgen verhaftet, und am Freitag darauf war er Gefangener im Schuldgefängnis.
An einem Abend Ende November, ungefähr eine Woche nach diesen Ereignissen, saßen Strange und Arabella im Salon ihres Hauses am Soho Square. Arabella schrieb einen Brief, und Strange zupfte gedankenverloren an seinen Haaren und starrte ins Leere. Plötzlich stand er auf und verließ das Zimmer.
Eine Stunde später kehrte er mit einem Dutzend voll geschriebener Blätter zurück.
Arabella blickte auf. »Ich dachte, der Artikel für Die Freunde der englischen Zauberei wäre fertig«, sagte sie.
»Das ist nicht der Artikel für Die Freunde der englischen Zauberei . Es ist eine Besprechung von Portisheads Buch.«
Arabella runzelte die Stirn. »Aber du kannst nicht ein Buch besprechen, an dem du selbst mitgeschrieben hast.«
»Ich glaube doch. Unter bestimmten Umständen.«
»Ja? Und was für Umstände sind das?«
»Wenn ich behaupte, dass es ein schauerliches Buch ist, ein böswilliger Betrug an der britischen Öffentlichkeit.«
Arabella starrte ihn an. »Jonathan!«, sagte sie schließlich.
»Nun, es ist wirklich ein schauerliches Buch.«
Er reichte ihr die Papiere, und sie begann zu lesen. Die Uhr auf dem Kaminsims schlug neun, und Jeremy brachte die Teesachen herein. Als sie fertig war, seufzte sie. »Was wirst du tun?«
»Ich weiß es nicht. Die Besprechung veröffentlichen, nehme ich an.«
»Aber was ist mit dem armen Lord Portishead? Wenn er in seinem Buch etwas geschrieben hat, was falsch ist, dann sollte natürlich jemand darauf hinweisen. Aber du weißt sehr gut, dass er nur geschrieben hat, was du ihm gesagt hast. Er wird sich hintergangen fühlen.«
»Ja, natürlich. Es ist von vorne bis hinten eine scheußliche Sache«, sagte Strange leichthin. Er nippte an seinem Tee und aß ein Stück Toast. »Aber darum geht es nicht. Soll mein Respekt vor Portishead mich davon abhalten, die Wahrheit zu sagen? Ich glaube nicht. Was meinst du?«
»Aber musst du es sein?«, sagte Arabella und blickte unglücklich drein. »Armer Mann, es wird ihn umso mehr bedrücken, wenn es von dir kommt.«
Strange runzelte die Stirn. »Selbstverständlich muss ich es sein. Wer denn sonst? Aber ich verspreche dir, dass ich mich bei nächster Gelegenheit aufs Höflichste bei ihm entschuldigen werde.«
Damit musste Arabella sich zufrieden geben.
Strange überlegte, an wen er die Besprechung schicken sollte. Seine Wahl fiel auf Mr. Jeffrey, den Herausgeber der Edinburgh Review in Schottland. Die Edinburgh Review war, wie Sie sich vielleicht erinnern, ein radikales Blatt und trat für politische Reformen, die Gleichstellung von Katholiken und Juden und alle möglichen anderen Dinge ein, die Mr. Norrell nicht gutheißen konnte. Infolgedessen musste Mr. Jeffrey zusehen, wie Besprechungen und Artikel über das Wiederaufleben der englischen Zauberei in Konkurrenzzeitungen erschienen, während er, der arme Mann, leer ausging. Natürlich war er hocherfreut, als er Stranges Buchbesprechung erhielt. Er machte sich keinerlei Sorgen wegen des erstaunlichen und revolutionären Inhalts, denn genau so etwas war ihm am liebsten. Er schrieb Strange sofort einen Brief, versicherte ihm, dass er sie so bald wie möglich veröffentlichen würde, und ein paar Tage später schickte er ihm einen Haggis (eine Art schottischer Fleischpudding) als Geschenk.
KAPITEL 38
Aus der Edinburgh Review
Januar 1815
ART. XIII.
Abhandlung über das erstaunliche Wiederaufleben der englischen Zauberei etc .
Von JOHN WATERBURY, Lord PORTISHEAD, mit einem Überblick über die im vorangegangenen Spanischen Freiheitskrieg betriebene Zauberei: Von JONATHAN STRANGE, Zauberer in Diensten Seiner Durchlaucht, dem Herzog von WELLINGTON. London 1814. John Murray.
Als geschätzter Gehilfe und Vertrauter von Mr. NORRELL und
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